Und was, wenn ich mitkomme?
auch nicht sehr vielversprechend.
Wir drehen die Argumente hin und her, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Im Hafen werden die ersten Lampen angezündet. Gelb leuchtet der Widerschein auf dem Wasser. Mal sehen, was morgen wird.
44. TAG FINISTERRE
Aus Pits Tagebuch:
In der Apotheke habe ich gestern keine Tabletten gegen die Schmerzen in meinem Fuß bekommen. Ich brauche ein Rezept. Also bin ich um acht Uhr in der Frühe in die Klinik hier um die Ecke gegangen, habe dort aber nur einen Arzttermin für ein Uhr ergattern können. Ich locke Eva aus dem Bett und zusammen gehen wir frühstücken, diesmal in einer Bar, in der wir noch nicht waren. Der Wirt und die Bedienung begrüßen uns in deutscher Sprache, was wir sehr befremdlich finden. Das Frühstück selbst ist aber ganz spanisch und das beruhigt mich wieder. Außer uns sitzen noch sechs weitere Deutsche in der Bar. Viele Pilger fahren oder laufen von Santiago aus noch nach Finisterre, weil dieser Ort in ihren Augen das wahre Ende der Pilgerreise ist. Ist er das auch für uns?
Wir überlegen, unseren Flug umzubuchen und nach Hause zu fliegen. Eine Straße weiter finden wir ein Internetcafé und loggen uns auf der Seite unserer Fluggesellschaft ein. Dort erfahren wir, dass eine Umbuchung pro Person 280 Euro kostet, ein Haufen Geld... Aber in Deutschland soll es heiß und trocken sein, während es hier kalt und regnerisch ist. Der Wirt aus unserer Frühstücksbar meinte heute Morgen, dies sei der nässeste und regenreichste Mai seit Jahrzehnten. Und das muss uns passieren. Aber jetzt müsste es doch allmählich mal reichen. Es kann doch nicht ewig regnen. Was, wenn wir heimfliegen, sich aber alles umkehrt: Regen in Deutschland und Sonne in Spanien? Wir sind total unentschlossen.
Es wird Zeit für meinen Arzttermin. Ohne den »Tatort« zu begutachten, verschreibt mir der Arzt nach meiner Problembeschreibung in englischer Sprache Tabletten und ein Gel zum Einreiben. Hoffentlich ist es kein Haarwuchsmittel... Wir testen Gel und Tabletten gleich bei einem 15-minütigen Spaziergang auf die andere Seite der Halbinsel, wo wir einen einsamen Strand finden mit schneeweißem Sand, Wildblumen in den Dünen und bizarren Felsen, die das Wasser umspült. Wir lassen uns im Windschatten eines Felsens nieder, essen Brot und Käse und freuen uns am Anblick der Wellen. An dieser Stelle liegt zwischen uns und New York nur noch der Atlantik, eine berauschende Vorstellung.
Die Sonne kommt für eine Stunde zum Vorschein. Wir ziehen Schuhe und Strümpfe aus und patschen im Wasser herum. Zum Baden ist es zu kalt und auch zu windig und stürmisch. Wir schlendern am Strand entlang und reden noch einmal über unsere verbleibende Zeit. Ein Ziel war es, zwei Monate von zu Hause weg zu sein. Dieses Ziel wollen wir beide nicht aufgeben. Heute und morgen könnten wir uns noch erholen und dann vielleicht — egal, was das Wetter dazu meint — doch wieder laufen?
Wir gehen zurück in den Ort und klettern am Ortsende hinunter zu einer flachen Lagune, die wir gestern von oben gesehen haben. Wir bleiben eine Stunde und beobachten einen Deutschen, der sich ins sehr kalte Wasser wagt. Brrr...
Dann gibt es noch einen café con leche und einen Minieinkauf. Heute Abend werden wir gemütlich essen gehen. Wir haben ein Lokal mit offenem Kamin entdeckt.
Es schüttet mal wieder wie aus Eimern, mit kräftigen Böen dazwischen. Aber im Lokal ist es gemütlich und warm. Hier dudeln keine Fernseher, wie es sonst in spanischen Bars und Restaurants üblich ist. Diese TV-Sucht ist wirklich eine Seuche. Aber die Spanier lieben es offensichtlich laut und abwechslungsreich. Heute Abend gibt es nur sanfte Musik und ein Essen, das zwar ziemlich teuer, dafür aber lecker ist. Magen, Haut und Herz fühlen sich fast ein bisschen »aufgewärmt«, was kein schlechtes Zeichen ist.
45. TAG FINISTERRE
Aus Pits Tagebuch:
Lange geschlafen, weil sich das Aufstehen sowieso nicht lohnt. Draußen ist bis auf Wolken nichts zu sehen, so heftig regnet es schon wieder. Erst gegen halb elf machen wir uns auf den Weg zum Hafen, um zu frühstücken. Wir sitzen lange und reden über den Camino: Was war der schönste Moment, die beste Herberge, die lustigste Begegnung, das leckerste Essen, der schlimmste Schmerz, die größte Enttäuschung...? Eva sagt »Gijon« und ich »Santiago«. Das Wetter frustriert uns total, und wir denken wieder über einen vorzeitigen Rückflug nach. Im Internetcafé informieren wir uns über die
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