Und was wirst du, wenn ich gross bin
trifft es besser.
Und das hat Folgen.
Es war auf einer improvisierten Feier im Keller des Elternhauses eines Freundes. Alle außer mir waren Zivis, teilweise in weiblicher Begleitung, was erklären könnte, warum sie langsamer tranken. Irgendwann war ich so stramm, dass ich mich während der Feier auf ein am Rande platziertes Sofa legte und in einen schlafartigen Zustand hinüberdiffundierte. Die anderen tranken weiter und irgendwann, kurz bevor sie meinen Zustand erreichten, kam ihnen eine Idee für einen kleinen praktischen Scherz. Sie waren sich sicher, dass ich wegen der genossenen Biermenge irgendwann nächtens auf die Toilette gehen würde. Sie waren sich weiterhin sicher, ich würde nicht fit sein. Und es würde dunkel sein und - da der Lichtschalter weit entfernt war - auch bleiben. Ihr perfider Plan war nun folgender: Sie beschlossen, mir Senf von den zuvor gegessenen Würstchen auf die Brille zu schmieren, damit ich meine Umgebung nur undeutlich erkenne. Dann wollten sie mir eines der übrig gebliebenen Würstchen in die Hose stecken. Vor ihrem angeschlagenen geistigen Auge sahen sie mich nun halbblind zur Toilette wanken, den Reißverschluss öffnen, statt des dafür vorgesehenen Körperteils das Würstchen in die Hand nehmen und mir in die Hose machen, ohne zu verstehen warum.
Der Plan funktionierte bis einschließlich des Beschmierens der Brille, das ich nicht bemerkte; als ich nachts tatsächlich auf die Toilette musste, habe ich zehn Minuten gebraucht, um zu kapieren, dass nicht mein Auge trüb war, sondern das Glas davor. Angetrockneter Senf hält übrigens gut auf Brillengläsern, ich habe noch tagelang kleine Reste gefunden.
Aber das Würstchen in meine Hose zu bekommen, klappte nicht. Denn so betrunken ich auch war, alte evolutionäre Instinkte weckten mich, als ich jemand an meinem Hosenstall herumfummeln fühlte. Ganz entgegen den evolutionären Instinkten jedoch wischte ich die Hand weg, die sich da zu schaffen machte. Allerdings hörte und hörte es nicht auf. Ich wurde wacher, ohne mich dazu bewegen zu können, die Augen zu öffnen. Ich hörte jemand kichern, und immer wieder fingerte jemand an meiner Hose rum. Nach vielfachem Händewegwischen beschloss ich endlich, ein Zeichen zu setzen. Dem Nächsten, der mich betatschte, würde ich mit letzter Kraft so richtig eine scheuern. Ich lag mit dem Gesicht zur Sofalehne, wusste also nicht, wen es treffen würde, dem Gekicher nach einen der Herren Schelme. Was ich nicht mitbekommen hatte, war, dass die Freundin von einem der Kumpel nach langem Zusehen bei der Fummelfolter genug Mut gefasst hatte, um es auch mal zu versuchen.
Ich platzierte inzwischen meinen Arm für eine schwungvolle Rückhand. Die besagte Freundin schritt schließlich, angefeuert von den anderen, mutig zur Tat und hatte gerade in der einen Hand das Würstchen und die andere an meinem Hosenstall, als ich grunzend den Arm schwang wie ein Diskuswerfer im Ring.
Und traf.
Sie wurde zwei Meter in Richtung der eigentlichen Missetäter in die Chipstüten geschleudert. Alle waren fassungslos. Man ließ von mir ab. Sie hatte am nächsten Tag einen blauen Fleck auf der Backe, der Rest einen Kater. Das war glücklicherweise das einzige Mal in meinem Leben, dass ich eine Frau geschlagen habe.
Alkohol ist keine Lösung, sagt man gerne oberlehrerhaft, was völliger Unsinn ist, denn kein Mensch hält beispielsweise Weißbier für eine Lösung, außer vielleicht Brauereibesitzer. Man trinkt ja gerade, weil man keine Lösung findet und die Zeit bis zu einer solchen »erträglicher« im Sinne von »unbewusster« erleben will. Wie Kinder, die die Augen zumachen, damit sie das Monster nicht sehen. Bloß wenn man die Augen zu hat, kann man auch leichter auf die Fresse fallen. Was dann bleibt, ist ein dunkler Fleck, der im Gegensatz zu blauen Flecken ein Leben lang wehtut, wenn man fest draufdrückt.
Immerhin eine sinnvolle Anschaffung hat mir das zusätzliche Geld aus der wehrhaften Verpflichtung ermöglicht: den Führerschein, insbesondere den Motorradführerschein. Ich hätte ihn natürlich auch später machen können, aber man muss sich auch mal an tröstlichen Gedanken festhalten dürfen. So konnte ich die eine oder andere unbeschwerte Stunde hinter dem Lenker eines Motorrads verbringen. Auch die eine oder andere beschwertere Stunde. Denn wie erwähnt hatte ich ja wegen des Motorradfahrens verschlafen und dafür eine Woche Frühnachsitzen aufgebrummt bekommen.
Was nun bringt einen dazu,
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