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Und was wirst du, wenn ich gross bin

Und was wirst du, wenn ich gross bin

Titel: Und was wirst du, wenn ich gross bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kemmler
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das sind die Generäle, also diejenigen, die mit dem Hubschrauber Zigaretten holen gehen. Meine Funktion, Mannschaftsdienstgrad Z2, entspricht in diesem Bild in etwa dem Pförtner.
    Oder der Sekretärin. Das hat große Vorteile. Erstens, obwohl so gut wie jeder theoretisch mehr zu sagen hat als sie, versucht trotzdem jeder, sich das Wohlwollen der Sekretärin zu sichern. Weil jeder mal was von ihr braucht. So ist es auch bei der Bundeswehr. Niemand, der nicht versehentlich schwer am Kopf verwundet wurde, legt sich ernsthaft mit einem Geschäftszimmersoldaten an. Bürokratie ist eine Waffe, die so scharf schießt, dass sie jeder Soldat ernst nimmt. Das dahinterliegende Prinzip heißt:
    Lieber der König der Ärsche als der Arsch unter den Königen.
    Der andere Vorteil betrifft das erwähnte »Seilen«. Stabsdienstsoldaten, also Sekretärinnensoldaten, stehen im Ruf, die faulsten Säcke überhaupt, aber zugleich mit genug Schlaufaulheit ausgestattet zu sein, um es in den Bürodienst geschafft zu haben. Das bringt zumindest rudimentäre Anerkennung seitens der Kollegen. Als zweitfaulste Kategorie galt damals übrigens der Sanitätssoldat - wie gesagt, ins Ausland fuhr man damals im Urlaub und nicht in den Einsatz. Ich war also mit der Doppelausbildung Sanitäts- und Stabsdienstsoldat so etwas wie der Maharadscha unter den Seilern, sogar als Zettler.
    Aber um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen: Nein, so was macht nicht glücklich, lässt einen keinerlei Gefühl von Erfüllung spüren, und das Herz klopft nur, wenn man beim Schreibtischschlaf durch Gebrüll geweckt wird. Es handelt sich schlichterdings um den extrem armseligen Versuch, aus einer armseligen Situation, in die man aufgrund der eigenen armseligen Rückgratlosigkeit geraten ist, einen armseligen Erfolg zu basteln.
    Der normale Tagesablauf sah fast zwei Jahre lang so aus:
    - 07.15 Uhr. Wecker.
    - Aufstehen, rote Spiegeleiaugen (Weißbier!) im Spiegel besehen, rasieren (oder nicht).
    - In die Kaserne fahren.
    - 07.40 Uhr. Schreibtisch bemannen. Zigarette anzünden (selbstständig weiterrauchen bis Dienstschluss).
    - Einen halbstündigen Parteienverkehr überstehen.
    - Auf dem Schreibtisch schlafen, Türen zu!
    - Türen auf, Radio hören. Zeitung lesen.
    - Mit feuchten Papiertaschentüchern das Hemd von den Salzrändern der Schweißflecken befreien (damals war eine Kaserne ausschließlich von Männern bevölkert).
    - Post holen, leise, aber vernehmlich über Arbeitsaufwand klagen.
    - Radio hören.
    - Vom Spieß (primus inter pares, der Abteilungsleiter, auch »Mutter der Kompanie« genannt, wegen der Möglichkeit, Traumata zu verursachen) Kartenspieltipps zum Schafkopfen einholen, weil das seine Laune bessert und das wiederum früheren Dienstschluss ermöglicht.
    - Radio hören.
    - 12.00 Uhr. Mittagessen in der Kantine, dazu Weißbier.
    - Zurück in den kompanieeigenen Ruheraum, weiteres oder weitere Weißbier/e, je nach Laune der Anwesenden, dazu fremden Erinnerungen lauschen, von der Zeit, als man sich noch bei Manövern mit Franzosen und Engländern prügeln konnte.
    - Ab 13.30, 13.45 oder 14.00 Uhr, je nach Weißbieranzahl: Parteienverkehr, kurz.
    - Weit über die erlaubte Länge gewachsene Haare (»wer hat die längsten?!«) mit Wasser anklatschen.
    - Radio hören.
    - Überlegen, welche Art Freiheit einen nach der Bundeswehr erwartet.
    - Ausrechnen, wie lange es bis dahin noch ist.
    - Sinnieren, ob es Freiheit eigentlich gibt.
    - Onanieren (optional, tröstlich: ohne Ratten).
    - Sinnieren, ob Freiheit immer die Freiheit des Etwasanderes-Arbeitenden ist.
    - Radio hören, dazu Schriftverkehr erledigen, dazu deutlich vernehmbar über Arbeitsaufwand klagen.
    - Letzte Schafkopffrage, Anfrage nach früherem Dienstschluss.
    - 16.50 Uhr. Dienstschluss.
    - 17.00 Uhr. Offizieller Dienstschluss.
    - Im Anschluss freie Gestaltung der Freizeit, Weißbier, danach sich kurzzeitig fühlen wie der Rebell unter den Seelenverkäufern.
    So weit die Fakten. Der deutsche Physiknobelpreisträger Gerd Binnig hat seine Zeit bei der Bundeswehr mal als das unkreativste Erlebnis beschrieben, das er je hatte. Antikreativität sozusagen. Obschon ich keine Ahnung von Rastertunnelmikroskopen habe, muss ich dem beipflichten.
    Falls das nun so klingt, als würde bei der Bundeswehr viel getrunken oder als wäre viel getrunken worden, dann kann ich das natürlich nur aus meiner Perspektive beurteilen, und aus dieser ist »trinken« vielleicht das falsche Wort. Das Wort »saufen«

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