Und was wirst du, wenn ich gross bin
Gewissheit, keine weiteren Beraterverträge zu bekommen. Ich will aber nicht alle Schuld daran von mir weisen. Zugegebenermaßen hatte ich mir meine größte Chance selbst vermasselt.
Aufgrund privater Beziehungen, auch im Business eine der wichtigsten Qualifikationen, die es gibt, hatte ich einen Termin mit dem Vorstandsvorsitzenden erhalten. Zwanzig Minuten Gespräch, nur mit mir, im Zentrum der Macht eines riesigen, international operierenden Konzerns. Ich knüpfte mir meine beste Krawatte um und begab mich in das Büro, von dem aus man den Flughafen unter sich liegen sah wie ein großes Reißbrett. Das war der Moment, in dem in Filmen der Held seine Visionen und Vorstellungen aufzeigt, die den obersten Chef nicht zuletzt wegen ihrer Frechheit so beeindrucken, dass er dem jungen Innovator im Anschluss sofort den Lichthof als Büro überschreibt, ihn zum Projektleiter mit unbegrenztem Handlungsspielraum macht und außerdem als Nachfolger für den Vorstandsvorsitz vormerkt. Wenn er eine Tochter hat, ist auch eine Heirat nicht ausgeschlossen.
Doch er hatte nicht nur keine ledige Tochter in meinem Alter, es kam hinzu: Auf alle Fragen, die er stellte, wie:
»Wie läuft es denn so?«
»Bei welchem Projekt sind Sie? Wie sind die Ergebnisse?«
»Wie kommen Sie mit Ihren Projektleitern zurecht?«
»Was halten Sie von Ihren Führungsqualitäten?«
antwortete ich immer nur mit:
»Gut.«
Ich habe wahrscheinlich auch seine Frage danach, was ich zu Mittag hatte, mit »Gut« beantwortet. Er gab sich wirklich Mühe, mir Informationen zu entlocken, aber da kam nichts, außer »Gut«. Und »Gut« ist nicht immer gut genug. Nun muss ich zugeben, ich mochte die Projektleiter und ihre Arbeit, aber Treue kann auch eine Form von Dummheit sein. Nicht dass ich ihnen vor unser aller Chef in den Rücken hätte fallen müssen, aber das wäre ein guter Moment gewesen, meine persönlichen Ideen zu präsentieren. Wäre. Gewesen.
Ich fügte also der Statistik, wo gute Ideen meinerseits entstehen, eine nullprozentige Wahrscheinlichkeit für Chefbüros hinzu, und ging. Er seinerseits sah während meiner weiteren Zeit im Unternehmen dann auch keinen Anlass für weitere Termine mit mir. Ich nehme an, er glaubte einfach, alles sei gut.
Ab da gab es immer weniger Herumkommen um die Tatsache: Ein erneuter Sonnenuntergang stand an. Auch das Business hatte sich als nicht mit mir kompatibel erwiesen. Oder als zu hart, wer weiß. Das im Business oft benachteiligte Private betreffend, hatte ich in Frankfurt eine bereichernde, erst glückliche, dann anstrengende, dann sehr anstrengende, aber reifer machende Zeit erlebt. Mit anderen Worten, ich hatte wie so viele, die ich im Business kennenlernte, eine nicht unkomplizierte Liaison. Die Schwierigkeit war, wir hatten eine sehr intensive Beziehung, sie hatte aber auch eine. Dazu kamen weitere Verwicklungen, deren Schilderung hier zu weit führen würde. Es war vorbei, kurz bevor meine Frankfurter Schule ihr Ende fand; sie entschied sich in salomonischer Weisheit dafür, unter beide Beziehungen einen Schlussstrich zu ziehen. Ich entschied mich, ganz in der Tradition eines Businessman von Welt, für ein Burn-out-Syndrom und machte mich auf in Richtung Heimat, nach München.
Doch war es kein unversöhnlicher Abschied, es fühlte sich mehr an wie eine natürliche Konsequenz. Ich liebe Flughäfen immer noch, dieses Konglomerat aus Versprechen von der großen weiten Welt, technischen Abläufen, die mir geläufig sind, und Krawattengeschäften, an denen ich immer mit einem Lächeln vorbeigehe.
Und einfach nur Passagier zu sein, hat auch seine Vorteile. So bekam ich einmal, nach einem Heimflug aus dem Urlaub, von einer Flugbegleitung eben jener Airline nach der Landung eine Tüte mit einem Ginfläschchen und einem Tonic aus der Bordapotheke zugesteckt. Wie ich am nächsten Tag herausfand, hatte sie außerdem eine Postkarte beigefügt, mit der Telefonnummer ihres Hotels und ihrer Zimmernummer. Die erste Zeile lautete »Lieber 15c mit den haselnussbraunen Augen«. Vielversprechender wurde ich selten angeredet. Als ich drei Sekunden später im Hotel anrief, war sie jedoch schon wieder in der Luft.
Da ihr Angebot jeglichen dienstlichen Richtlinien widersprach und sogar mit Kündigung bestraft werden konnte, möchte ich ihr, so sie diese Zeilen lesen sollte, von Herzen mitteilen: Es lag nicht an ihr, dass ich mich nicht meldete. Erwähnte ich bereits, dass ich manchmal Schwierigkeiten mit dem Timing habe? Doch
Weitere Kostenlose Bücher