Und was wirst du, wenn ich gross bin
die Haushaltskasse zu spülen, ein Seminar statt, zwei Wochenenden lang. Es handelte sich um ein Esoterikseminar, dessen Motto »Wechsel jetzt!« auf mich zutraf wie die Faust aufs Auge. Nun ist Hardcore-Esoterik nicht unbedingt das, was sich die meisten unter einer idealen Berufsberatung vorstellen, aber in meinem Fall kann man eine gewisse Wirksamkeit nicht ausschließen.
Bei esoterischen Veranstaltungen muss man zunächst einmal trennen zwischen der Form, dem Inhalt und den Beteiligten. Die Form macht es schwer, Zugang zu finden. Der Inhalt wird gerne unterschätzt und ist meist eine sinnstiftende Ansammlung grundsätzlicher metaphysischer Gedanken. Am schwierigsten aber ist der Umgang mit den Beteiligten. Denn dazu gehören, neben ganz normalen Menschen wie du und … anderen, auch über die Maßen enthusiasmierte Glaubensstreber. Die sind wohl am ursächlichsten daran beteiligt, dass der Esoterik der Ruf vorauseilt, Auffangbecken für frustrierte Sozialpädagogen und Hausfrauen mit Tellerbemalungshintergrund zu sein.
Hinzu kommt jedoch auch, dass die meisten Menschen der Esoterik begegnen wie ein typischer christlicher Westeuropäer einem Hindu. Mit einem ins Zoologische spielenden Interesse an den Glaubenssätzen, einem großzügigen Respekt für die jahrtausendealten Schriften und einem völlig verständnislosen Kopfschütteln vor den Bräuchen. Bei aller Freude an Reinkarnation, wenn man seine Leichen nicht im Keller hat, sondern in den Fluss wirft, in dem man auch badet, dann hat der Spaß ein Loch, und man vermutet als nächsten Schritt, dass sich die Beteiligten Knochen durch die Nase ziehen und weiße Missionare in großen Kochtöpfen brutzeln. Das ist wahrscheinlich umgekehrt ähnlich, wenn der aufgeklärte Hindu erfährt, dass ein bunt gewandeter Mann in Rom in seiner Vinothek das Blut von Jesus aufbewahrt. Das Fremde ist eben oft erst mal lächerlich. Aber woran erkennt man, ob es so dumm ist, wie es scheint?
Grundsätzlich fand ich es immer schon bedenklich, dass man bei der Betrachtung von Robinson Crusoe und Freitag davon ausgeht, dass Robinson Crusoe der Überlegene ist, weshalb er Freitag beispielsweise seine Sprache beibringt, die der Kannibalentrottel mühsam erlernt. Und wenn er sie dann endlich spricht, hört er sich dabei an wie ein heidnischer Haushund, der gerade mal das Einmaleins bellen kann.
Aber wenn sich zwei Menschen treffen, die sich nicht verständigen können, und einer der beiden lernt die fremde Sprache des anderen, welcher der beiden ist der Intelligentere? Der Sprachenlerner oder der Sprachenlehrer?
Was nun Esoterik oder jegliche Form von Glauben betrifft, ist es wohl wirklich so, dass man die Sache nur beurteilen kann, wenn man den sogenannten »Sprung in den Glauben« vollzieht, über den Verstand und den eigenen Lebensentwurf hinweghüpft und sich dann das Ganze von innen ansieht. Diese Idee stammt natürlich nicht von mir, sondern von Herrn Kierkegaard, der aber selbst nicht am Wochenendseminar teilnahm.
Ich selbst habe an dem Seminar übrigens auch nicht offiziell teilgenommen, es war in meinem Fall eher ein zweiter Bildungsweg. Mein Zimmer war nämlich das Raucherzimmer der Seminarteilnehmer, woran man erkennt, dass Ungesundes und Heiliges nicht nur in der Kirche gut miteinander harmonieren.
Aber genug der Vorrede, letztlich handelt es sich bei diesen Grundsatzbetrachtungen nur um meinen Versuch, die Tatsache abzumildern, dass ich dabei zusah, wie jemand Bevollbartetes vor einem Kreis von Menschen saß, die Augen halbgeschlossen, als wäre er ein menschliches Festmöbel am Tresen einer Trinkhalle um halb vier Uhr nachts, und einer Runde Schneidersitzmenschen erzählte, er sei ein Außerirdischer. Einer, der gerade im Raumschiff unterwegs sei, dorthin, wo immer Außerirdische samstagnachmittags hinfliegen, wahrscheinlich zu einem telekinetischen Fußballturnier, und der nun durch den Bärtigen spreche. Und dann erzählte er. Und ich sah erwachsene Menschen dabei nicken, zustimmend und entspannt, erfreut oder auch beseelt dreinblicken. Im Anschluss wurde meditiert.
Die gerade geschilderten Ereignisse waren dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Ich war mir natürlich absolut der Tatsache bewusst, es im Wohnzimmer mit einer Horde komplett Geistesgestörter zu tun zu haben, die vielleicht jeden Moment den Teppich essen oder entkleidet auf die Straße rennen würden, um dort mit herbeimeditierten Bällen und einem visualisierten Netz Volleyball zu spielen.
Aber das
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