Und was wirst du, wenn ich gross bin
man muss sich auch mit den verpassten Gelegenheiten im Leben aussöhnen, egal in welchem Bereich.
Business ist zwar Krieg, wie manche sagen, doch Pax bedeutet auf Lateinisch »Frieden«.
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esoteriker
Um die Welt des Business zu vergessen und einen Blick auf die neue Welt zu werfen, besuchte ich meinen besten Freund, der in den USA studierte, und flog mit ihm und seinem Bruder nach Hawaii. Unsere Hauptbeschäftigung dort war, uns im Surfen zu versuchen, also dem Wellenreiten ohne Segel. Das macht unglaublich viel Spaß, ist aber auch unglaublich anstrengend. Zumindest Teile davon. Es ist ein gleichzeitig meditatives und aufregendes Gefühl, draußen im Meer auf dem Brett zu hocken und die richtige Welle abzuwarten. Und wenn man sich dann entschieden hat, gibt es kein Zurück mehr, dann ist man wie im Rausch. Das sprudelnde Gefühl, vom Kamm der Welle hinunterzukippen und auf einer Naturgewalt zu tanzen, die um so vieles stärker ist als man selbst, endet erst, wenn sich die Welle wieder aufs offene Meer zurückzieht und man sich als angespültes Strandgut mit dem Gesicht im Sand steckend fragt, ob der Körperteil, der gerade die Wange berührt, der Arm oder das Bein ist.
Die richtige Welle zu erwischen, so schien es mir, ist ein wenig wie den richtigen Beruf finden. Man erkennt mit der Zeit eher, welche Welle die richtige sein könnte, aber man weiß es immer erst, wenn man sie geritten hat. Und egal, wie viele Wellen man ausprobiert, es kostet weniger Kraft, sie zu reiten, wenn man nicht schwankt. Draußen hinter der Brandung auf die Wellen zu warten ist auch nicht anstrengend. Aber das Hinauspaddeln nach dem Wellenritt ist die Hölle. Durch die entgegenkommenden, sich brechenden Wellen dahin zu gelangen, wo man auf dem Brett schaukelnd die nächste Welle aussucht, ist der Teil, an den man vorher am wenigsten denkt, den man nie in Surfermagazinen auf Hochglanz abbildet und auch nicht der, von dem man träumt.
Auch als ich anschließend wieder nach Deutschland zurückkehrte, wollte ich mich dem Hinauspaddeln nicht sofort stellen. Um die Ruhephase finanziell zu überbrücken, heuerte ich in einer Weinhandlung an. Es schadet nie, sich ein wenig mit Wein auszukennen, anstatt nur so zu klingen. Und es ist eine Arbeit, die man auch gerne mal mit nach Hause nimmt, um dort kontemplativ an der Zukunft zu feilen. Tatsächlich wird Sachkenntnis im Bereich Wein als Baustein zum beruflichen Erfolg absolut unterschätzt. Mit Wein als Gesprächsstoff kann man sich überall sehen lassen und - egal mit wem - sorglos darüber plaudern. Ähnlich dem Fußball ist der Wein ein Thema, das - vom Flaschenpreis abgesehen - frei von Hierarchien ist. Da können der Vorstandsvorsitzende und der Praktikant ungezwungen auf Augenhöhe kommunizieren. So es sich bei einem der beiden nicht um einen Weinwichtigmacher handelt, also einen, der Vorträge über die geschmackssteigernde Wirkung des Gläserzentrifugierens halten kann und der eine halbe Stunde vor einem vollen Weinglas sitzt unter Inbetriebnahme von Wörtern wie »Brombeer« und »Leder«. Sobald das Etikett des unausweichlich teuren Tropfens abgedeckt wird, gerät der Wichtigmacher nämlich genau wie seine Gläser ins Schleudern. Genießer wissen zudem, ein Glas allein reicht nicht, man muss einem Wein auch mal ein bis zwei Flaschen lang Gelegenheit geben, sich vorzustellen. Wie in allen Dingen erkennt man auch hier den Ahnungslosen gerne daran, dass er sich unverständlich ausdrückt. Je besser jemand Bescheid weiß, ob es um Wirtschaft, Wissenschaft oder Wein geht, umso einfacher kann er sich ausdrücken. Und beim Wein gibt es nur ein einziges Kriterium, das bestimmt, ob es sich um einen guten oder schlechten Wein handelt, ein Kriterium, das alle Weinkenner, Vinothekare und Sommeliers gleichermaßen anerkennen: den Geschmack. Und der ist individuell. Wenn ein Wein schmeckt, dann ist er gut, alles Weiterführende ist schlicht Hobby.
So betrachtet hatte ich im Beruflichen schon viel probiert, wurde also langsam zu einem Berufskenner. Was ja von Vorteil sein kann, solange man die Panik davor unterdrückt, nie mehr was zu werden. Leider war diese Panik bei mir reichlich vorhanden. Doch kam aus völlig unerwarteter Richtung unerwartete Inspiration. Ich wohnte, wieder zurück in München, in einem zwölf Quadratmeter großen Zimmer, und zwar in einer Haus-WG, deren Wohnzimmer hundertfünfzig Quadratmeter groß war. Dort fand, dank Zuspruchs von Mitbewohnern und um Geld in
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