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Und was wirst du, wenn ich gross bin

Und was wirst du, wenn ich gross bin

Titel: Und was wirst du, wenn ich gross bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kemmler
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änderte nichts daran, dass ich mich unter anderem mit dem Bärtigen gut verstanden habe, genauso wie mit weiteren Seminarteilnehmern, mit denen ich bis heute freundschaftlich verbunden bin. Auch ich fand mich am Ende des zweiten Wochenendes bei der Meditation wieder und hatte die seltsamsten Filme vor dem inneren Auge laufen.
    Ich hatte von den Erzählungen der anderen her Visionen mit Engeln, Ägyptern oder Mayas erwartet. Aber der Regisseur meiner Initiation hatte wohl wenig Sinn für herkömmliche Esoterik.
    Bei meiner ersten Meditation sah ich, von Panflöten und Synthieklängen begleitet, Folgendes:
    Ich befand mich auf der Leopoldstraße in Höhe Akademiestraße und schaute aufs Siegestor. Dort stand ein Elefant, ungefähr einen Meter siebzig groß, der mich musterte und sagte:
    »Elefanten sind größer.«
    Ich stimmte zu. Sie wuchs daraufhin - ich hatte natürlich sofort erkannt, dass es sich um eine Elefantin handelte, an den sanft geschwungenen Ohren, der aufreizend gekurften Hüfte und dem kecken Schwung des Rüssels. Als sie den ganzen Bogen des Siegestors ausfüllte und es hochhob wie die Sänfte eines Maharadschas, kamen plötzlich Massen von Nashörnern auf sie zugelaufen. Einige hatten sogar ihr Essen dabei, darunter Gyros, Frühlingsrollen und McDonald’s-Tüten. Sie versuchten die Elefantin mit ihren Hörnern zu pieksen, um ihr die Luft rauszulassen.
    Ich war darüber empört und dachte mir gleichzeitig, lieber Visionsfrischling, du weißt aber schon, dass du gerade meditierst und entweder bald Castaneda liest oder dich einliefern lässt.
    Sie hingegen trötete den Nashörnern zu:
    »HAAHAAA«, und meinte zu mir:
    »Es kann nix passieren. Das ist alles echt.«
    Ich war nicht überzeugt und weiter in Sorge. Aber scheinbar haben Nashörner ihre Luftventile an den Hörnern, und die wurden beim Pieksen beschädigt, so dass ihnen selbst die Luft ausging, bis sie ungefähr Dackelgröße erreicht hatten. Daraufhin beschlossen sie, sich mit Wodka Bull wieder großzumachen, und zogen Richtung Innenstadt davon.
    Ich blickte stolz auf die Elefantin, die sich mit einem Lächeln und dem Siegestor auf dem Rücken in Bewegung setzte.
    »Komm«, sagte sie.
    Auf dem Siegestor stand in großen Lettern:
    »Dem Trieb geweiht, vom Trieb zerstört, zum Fliegen mahnend.«
    Mein letzter Gedanke, während die Elefantin Richtung Münchner Freiheit lief und eine Stimme das Ende der Meditation verkündete, war:
    »Geiler Arsch.«
    Dann wachte ich auf.
    Und das ganz ohne chemische Zusätze, da in den Pausen nur Bioware gereicht wurde und komplett auf anionische Tenside in Pillenform oder illegale Rauchwaren verzichtet wurde. Es gab nur Rotwein am Abend, den ich mit dem Bärtigen trank. Ein Engländer, der im Übrigen ebenfalls vollen Herzens der Ansicht war, sich vor Menschen zu setzen und im Namen eines Außerirdischen zu sprechen, sei absolut lächerlich und anstaltsreif. Nur ließ er sich von diesem Gedanken nicht davon abhalten, genau das zu tun. Ich musste - und das tat ich sehr ungern - einräumen, dass mir selbst der eine oder andere Moment unglaublich gutgetan hatte, auf rein emotionaler Ebene, und mir einige sonst sehr selten gefühlte Momente der inneren Entspannung beschert hatte. Da sieht man einfach über einiges hinweg. Ich verstand zum ersten Mal ansatzweise junge Frauen zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig, die sich mit Regelmäßigkeit Typen zum Freund aussuchen, gegenüber denen aus meiner Sicht ein bärtiger Außerirdischer eine echte Verbesserung dargestellt hätte. Und da nehme ich die Frauen, die sich in diesem Alter für mich entschieden hatten, nicht aus. Manchmal geben einem einfach die seltsamsten Dinge ein gutes Gefühl. Darüber sollte man nicht im Detail nachdenken, sondern einfach nur das Gefühl genießen. Und ich genoss es - nach zwei anstrengenden Jahren Business, Meetings und dem ständigen Versuch, auch die aus dem Bauch heraus getroffenen Entscheidungen immer nur als Folge logischen Denkens zu verkaufen -, einfach mal die Gefühlssau rauszulassen. Die Absurdität des Ganzen half da sogar, sozusagen als Protestmarsch gegen den Verstand.
    Obwohl der Protest auch an seine Grenzen stieß. Als während des Seminars eine Teilnehmerin eine halbe Stunde lang detailliert erzählte, wie ihre Katze, die wie alle Katzen vom Sirius stamme, sie beobachte, und woran man sehe, dass es sich bei Katzen um eine höhere Lebensform handele, wurde ich dann doch von meinem Verstand überstimmt. Aber die

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