Und was wirst du, wenn ich gross bin
Frankfurt ist eine feine Sache. Es ist vielleicht nicht Hamburg, das ich nach einer gewissen Eingewöhnungszeit als zweite Heimat empfand (an dieser Stelle nochmal ein großer Dank an die Hansestadt und ihre Einwohner), und es war auch nicht München, aber trotzdem bin ich noch heute mit Äppler und Handkäs zu begeistern. Die in Hessen fast kultische Verehrung Frankfurts führt sogar dazu, dass alle Hessen, die man fragt, woher sie kämen, Frankfurt als Heimstatt nennen, ganz egal woher sie stammen. Seither frage ich grundsätzlich, wenn ich »Frankfurt« höre: »Wo denn genau dort?«, und bin dann nicht im Geringsten verwundert, als Antwort »Nauheim« oder »Homburg« (mit einem stummen »Bad« davor) zu bekommen. Ausnahmen hierzu sind lediglich Wiesbaden und Offenbach, Ersteres wegen des hessischen Parlaments, Letzteres aus Prinzip. Ich selbst wohnte zu dieser Zeit in Frankfurt. Davon ein Jahr in Walldorf und zwei in Dreieich. In diesen zwei Jahren machte es mir besondere Freude, wenn ich jemandem meine Adresse samt Postleitzahl telefonisch durchgab: sechs, drei, null, drei, drei. Dreieich war für jeden Mitschreibenden eine Herausforderung.
Doch zurück zur Luftfahrt. Meine Aufgabe wäre wohl für jeden eine Verlockung gewesen. Denn jeder, der jemals geflogen ist, träumt doch davon, einmal mitzubestimmen, was im Flugzeug passiert.
»Was man da alles verbessern könnte!«
Genau das aber beschreibt die Schwierigkeit des Ganzen. Denn es gibt in der gesamten Luftfahrt ein Grundproblem, das man nie loswerden wird. Den Pax. Fluggäste gehören neben Bahnreisenden und Straßenverkehrsteilnehmern, auf die ich ja schon als Kurier getroffen war, zu den unerfreulichsten Begleiterscheinungen des Reisens an sich. Wenn man ehrlich ist, sind die meisten unschönen Erinnerungen an Flüge auf Sitznachbarn zurückzuführen. Auch Airlines haben hierauf nur geringen Einfluss, deshalb führten alle meine Anregungen, mit Verbesserungsmaßnahmen an genau diesem Punkt anzusetzen, ins Leere.
Auch ist es nicht ratsam, eben diese Fluggäste zu befragen, was man verbessern könnte. Meiner Erfahrung nach ist es ein generelles Missverständnis der Marktforschung, Kunden zu befragen und sich davon Ideen zur Verbesserung zu erhoffen. Natürlich ist es wichtig, so zu tun, als wären sämtliche Neuerungen, egal auf welchem Gebiet, ausschließlich Resultat von intensiven Befragungen. Damit jeder das Gefühl hat: »Das alles passiert nur wegen mir!«
Aber genau das führt dazu, dass auf Nachfrage jeder nur mit seinen ganz persönlichen Ideen aufwartet, die im Bereich der zivilen Luftfahrt dann zu Anregungen führen wie »bestickte Kissen wären schön« oder auch zu dem todsicheren Tipp, mit Long Island Ice Tea könnte man den Bordverkauf »mal so richtig ankurbeln«.
Es kommt doch auch niemand auf die Idee, Radiohörer zu befragen, wie die neue Scheibe von Green Day klingen sollte, und die Anregungen dann tatsächlich umzusetzen. Das Ergebnis würde klingen wie ein startender Airbus.
Nichtsdestotrotz waren Kundenbefragungen Teil des Projekts. Ebenso wie der Austausch mit Flugzeugkonstrukteuren, fliegendem Personal und allen, die vielleicht zum Flugerlebnis konstruktiv beitragen könnten. Hierbei ist es eine wahre Freude, für ein wirklich großes Unternehmen zu arbeiten, beziehungsweise es zu beraten. Denn wenn man irgendwo anruft und den Namen des Unternehmens nennt, hat man sofort einhundert Prozent Aufmerksamkeit. Da denkt jeder, mit dem man spricht, sofort an potenzielle Aufträge in astronomischen Größenordnungen. Das ist so wie früher im Mittelalter oder auch später, wenn beispielsweise ein Winzer das Telefon abnahm und in der Leitung war der königliche Mundschenk. Sofort sah der Weinbauer das Etikett »königl. Hoflieferant« samt Wappen auf den eigenen Flaschen prangen.
Übrigens war tatsächlich einer meiner Vorfahren Mundschenk bei König Ludwig II. von Bayern (für die Nichthistoriker, das ist der Wahnsinnige mit den Schlössern). Des Mundschenks Tochter heiratete den Sohn des königlichen Fasanenmeisters. Das erklärt wohl, warum ich gerne Fleisch esse, Wein trinke und über die Budgetgrenze hinaus königliche Ausgaben für Luftschlösser tätige. Doch dies nur am Rande.
Das Prinzip der Firmennamensnennung hat leider auch Nachteile, vor allem für die Charakterbildung. Wegen der einem durch den Firmennamen verliehenen königlichen Autorität vergisst man manchmal gerne, dass man nicht selbst König ist. Die
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