Und weg bist du (German Edition)
oder Hazel stammen musste.
»›Die Blumen-Katze und der Karo-Hund‹«, rezitierte Dixon keuchend, » › wälzten sich wund …‹«
»Was tut sie?«, fragte der kleine Georgie um den Daumen in seinem Mund herum.
»›… sie bissen und hieben mit den Klauen‹«, flüsterte Dixon weiter, » › es war ein rechtes Grauen.‹«
Hinter der Tür war abermals ein Schreien und Hämmern zu hören, gefolgt von einem dumpfen Geräusch, aus dem zu schließen war, dass die beiden die Treppe hinabgestürzt waren. Wir alle standen reg- und atemlos da und spitzten die Ohren. Mein Herz pochte, als hätte ich mir die Seele aus dem Leib gerannt, und mein Magen zog sich zusammen. Niemand sprach außer Dixon, dessen Stimme zu einem heiseren Murmeln geworden war.
»›Am nächsten Morgen, wo sind die beiden nur …‹«
»Halt den Mund!«, zischte Beth.
»›Von Katz und Hund gibt’s keine Spur.‹«
»Ich habe gesagt, du sollst den Mund halten«, fauchte sie und griff nach ihm. Ich trat mit dem Messer in der Hand dazwischen, bereit es einzusetzen.
Dixon schien uns gar nicht wahrzunehmen. Die Augen waren auf die Tür gerichtet, während er weiter die Worte aus seinem geliebten Buch zitierte. » › Die Wahrheit über Katz und Hund indessen …‹«
»Komm her, Dixon.«
»›… ist die: Sie haben sich aufgefressen!‹«
»Ich weiß, Dixon, ich weiß«, sagte ich. Er schob seine kleine kalte Hand in meine und wir warteten.
Wir warteten auf ein Geräusch aus dem Keller, warteten darauf, dass die Polizei käme und dass Noah und Jack zurückkehrten. Zwei dieser Dinge geschahen schließlich gleichzeitig. Zuerst hörten wir die Klingel und Juliann eilte los, um die Tür zu öffnen. Dann hämmerte es wieder langsam gegen die Kellertür. Die Polizisten betraten die Küche. Einer von ihnen bat mich um das Messer, das ich ihm folgsam reichte. Der andere reagierte auf das Hämmern an der Tür, schloss sie auf und öffnete sie vorsichtig. Heraus taumelte Hazel.
dreißig
LÜGEN
Hazel saß im Speiseraum auf einem Stuhl. Sie hatte tiefe Kratzer im Gesicht, aus denen Blut tropfte. Auf ihrem Arm waren zwei Bisswunden zu sehen und Haarbüschel waren ihr ausgerissen worden. Zu meinem Entsetzen schien ihr Zustand bei dem älteren Polizisten, der durch aalglattes graues Haar auffiel, Mitleid zu erregen. Er sprach ruhig auf sie ein, während sein jüngerer Kollege unten im Keller nach Edgar suchte.
Während meiner Zeit in Seale House hatte ich mehrere Dinge über Hazel gelernt. Sie war eine kaltherzige Frau, der jede Form von Fürsorge fremd war. Außerdem wusste ich, dass sie barsch, fordernd und gewissenlos war, sowie vollkommen gleichgültig, was ihre Pflegekinder und deren Bedürfnisse anging. Und sie war drogenabhängig. Was ich aber bislang noch nicht gewusst hatte, war, dass sie auch eine talentierte Lügnerin war. Zum ersten Mal verstand ich, warum die Sozialarbeiter, die hier ein und aus gingen, bei ihr keine Probleme sahen.
Ich hockte mit dem Rücken in der Ecke am anderen Ende der Küche, wie Edgar es so oft tat. Dennoch konnte ich sie noch sehen und hören, und ich lauschte der Geschichte, die sie über den traumatisierten Jungen erfand, zu dem sie in den Keller gegangen sei, um ihn davon zu überzeugen heraufzukommen. Während sie versucht habe mit ihm zu reden, sei er über sie hergefallen und sie seien die Treppe hinuntergestürzt. Da es dunkel war, habe sie nicht sehen können, was mit ihm geschehen war, und dann sei die Tür aus Versehen zugefallen. Sie sei fest davon überzeugt, dass es eine göttliche Fügung gewesen sei, um die anderen Kinder nicht in Gefahr zu bringen.
Ich war kurz davor, aufzuspringen und sie als Lügnerin zu bezeichnen, als der zweite Polizist aus dem Keller zurückkehrte. Er flüsterte seinem Kollegen etwas ins Ohr, der sich daraufhin mitleidig zu Hazel umdrehte. Dann sprach er ihr sein Beileid aus, da der Junge leider tot sei. Anscheinend hatte er sich beim Sturz das Genick gebrochen. Hazel brach in Tränen aus und legte schluchzend die Hände vors Gesicht.
Sofort fühlte ich mich schuldig. Ich hatte Edgar gehasst und gefürchtet, den Tod hatte ich ihm dennoch nicht gewünscht. Ich hatte lediglich Dixon retten und der hartherzigen Hazel vor Augen führen wollen, wie es sich anfühlte, im Keller eingesperrt zu sein. Ich beobachtete, wie der ältere Polizist etwas in sein Notizbuch schrieb und der jüngere sich ein Stück von Hazel entfernte, um zu telefonieren. Als sie sich von ihnen
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