Und wenn wir fliehen (German Edition)
reißen.
»Hey!«, rief er. »Das Zeug gehört mir.«
Gav streckte den Kopf heraus.
»Du bist ganz schön gut ausgerüstet«, stellte er fest. »Zelt, Schlafsäcke, ’ne riesige Menge Lebensmittel.«
»Wie ich schon sagte, kann ich jetzt nicht mehr zurück zum Stützpunkt. Irgendwie muss ich ja zurechtkommen.«
»Womit wir noch einen weiteren Grund dafür hätten, dass du nicht schon früher hier warst«, sagte Gav. »Weil du erst noch deinen Truck mit Vorräten vollstopfen musstest, bevor du los bist.«
Tobias lief rot an.
Gav sprang von der Ladefläche und schloss die Hintertür.
»Ich mach dir einen Vorschlag«, sagte er mit ernster Stimme. »Du kannst die Sache wiedergutmachen. Du bringst mich und Kaelyn nach Ottawa und fährst uns wieder zurück, sobald wir da fertig sind. Dann sind wir quitt.«
»Habt ihr wirklich einen Impfstoff?«, fragte Tobias mich. »Mit dem wir dieses Virus ein für alle Mal loswerden könnten?«
»Ich glaub schon«, antwortete ich. Hoffnung stieg in mir auf. »Wenn du uns hilfst …«
Er senkte den Blick angesichts der fünf Augenpaare, die auf ihn gerichtet waren. »Einverstanden«, sagte er kurz darauf. »Meinetwegen, ich hab ja sowieso nichts anderes vor.«
»Darf ich auch mit?«, erkundigte Meredith sich und drückte mich am Arm. Mir drehte sich der Magen um. Ich wollte sie nicht an Orte bringen, von denen wir nicht wussten, ob wir dort sicher waren. Aber die Insel war auch nicht sicher, nicht mehr. Die Kerle in dem Hubschrauber würden vielleicht für einen zweiten Angriff zurückkehren. Wir hatten Glück gehabt, dass wir ihnen das erste Mal entkommen waren.
»Am besten, wir kommen alle mit«, sagte Tessa entschieden. »Auf der Insel zu bleiben, ist für jeden von uns gefährlich, das steht fest. Und wir können hier bestimmt noch mehr Lebensmittel auftreiben, so dass es für uns alle reicht. Den Impfstoff zu den richtigen Leuten zu bringen, ist das Sinnvollste, was wir jetzt tun können. Und je mehr wir sind, wenn wir nach Ottawa kommen, umso schneller finden wir jemanden, der helfen kann, oder?«
Leo nickte. »Ich will auch helfen!«, rief Meredith. Tobias zuckte mit den Schultern, als wäre ihm alles recht. Ich sagte gar nichts, völlig überrascht von der plötzlichen Solidarität, während Tessa mich verhalten anlächelte.
Eine Welle der Dankbarkeit überkam mich. Ja. Wenn wir alle zusammenblieben, könnten wir uns gegenseitig beschützen. Gemeinsam waren wir stärker. Niemals hätte ich sie von mir aus darum gebeten, dieses Risiko einzugehen, aber jetzt, wo die Situation auf der Insel immer brenzliger wurde, schien es mir richtig.
Gemeinsam würden wir das durchstehen, wie schon so vieles.
Sechs
Gav war der Einzige, der die Stirn runzelte.
»Was ist mit all den anderen auf der Insel?«, fragte er. »Wir können doch nicht einfach so verschwinden, ohne irgendwem zu sagen, was passiert ist. Sie müssen vorbereitet sein, falls diese Verrückten mit dem Hubschrauber noch mal vorbeikommen.«
»Ich fahr hin«, bot Leo an. Er zuckte mit den Schultern, das Kinn tief hinter seinem breiten Jackenkragen versteckt. »Ich hab die meiste Erfahrung darin, ein Boot zu steuern, und wir kriegen langsam ziemlich üblen Seegang. Ich gehe ins Krankenhaus und erzähl ihnen, was los ist. Dann seh ich nach eurem Wagen. Wenn er es überlebt hat, kann ich ihn mit der Fähre rüberschaffen – wenn nicht, bringe ich wenigstens das an Proviant mit, was noch übrig ist.«
Gav machte ein Gesicht, als wollte er etwas dagegen einwenden, doch dann schloss er die Augen und senkte den Kopf. »Falls das Haus noch steht, würde es nichts schaden, auch noch was von dem Essen da zu holen. Aber die Vorräte, die für die ganze Insel bestimmt sind, möchte ich lieber nicht mehr weiter antasten.«
Sein Blick glitt zu mir. Ich merkte, dass er mich nicht alleine lassen wollte, nicht einmal für ein paar Stunden. Das war auch der Grund, warum er mit mir kam, obwohl es ihn offensichtlich richtig fertigmachte, nicht zurückkehren zu können.
Es schmerzte die Worte auszusprechen, aber ich musste sie sagen. »Gav, ich komm schon klar. Wenn du lieber auf der Insel bleiben willst, um dort zu helfen, dann solltest du das tun. Wir müssen nicht alle gehen.«
»Nein«, antwortete er. »Ich hab mich schon entschieden, als wir das erste Mal darüber gesprochen haben. Wir können morgen früh aufbrechen, wie geplant.«
Als Leo Richtung Anleger marschierte, zog ich Gav beiseite. »Ist das wirklich okay für
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