Und wenn wir fliehen (German Edition)
immer der Plan ist, ich bin dabei. Du wirst das auf keinen Fall alleine durchziehen.«
»Gav«, begann ich. »Ich wäre nicht …«
Bevor ich den Satz beenden konnte, berührte er meine Wange. »Ich hab’s dir schon mal gesagt, und ich werde es dir immer wieder sagen: Ich lass dich nicht allein«, sagte er sanft und küsste mich. Seine Finger strichen mir über die Haut, und seine Lippen fühlten sich warm und fest auf meinen an. Dann räusperte sich Tobias, und Meredith begann zu kichern. Ich lehnte mich zurück und lief rot an.
»Du solltest wohl lieber mal nachsehen, ob die zwei sich geeinigt haben, wer nun hierbleibt und wer nicht«, sagte Gav lächelnd. »Und dann kommst du wieder und gibst uns Bescheid, wann es losgeht.«
»Wir können es bis Toronto schaffen«, sagte ich, während ich mich erhob. »Wir werden einen Weg finden.«
»Natürlich werden wir das«, erwiderte Gav.
Als ich die Hütte verließ, lief Meredith mir nach. Leo stand an der nächstgelegenen Baumgruppe, das Gesicht tief hinter den Schal gezogen, die Arme eng an den Körper gepresst. Allein.
»Mere«, sagte ich, »könntest du zurück zur Hütte gehen und nachsehen, ob wir irgendwas vergessen haben … Mützen, Handschuhe, was auch immer?«
»Aber ich will doch wissen, was mit Tessa ist«, antwortete sie.
Ich sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Mere. Wir reden später darüber, ja?«
Sie stieß ein verärgertes Schnauben aus, das eine kleine Atemwolke in der kalten Luft hinterließ, und schlitterte über die vereiste Lichtung davon.
Ich ging auf Leo zu, blieb aber ein paar Meter entfernt stehen. Er blickte nicht auf, obwohl er wissen musste, dass ich da war.
Nach einer Weile hob er den Kopf so weit, dass sein Mund zum Vorschein kam.
»Sie dachte, es spielt keine Rolle«, sagte er. »Ich glaube, sie war wirklich überrascht, dass ich mich aufgeregt habe. Sie meinte, es wäre doch klar, dass es keinen Sinn hat zusammenzubleiben, wenn wir unterschiedliche Dinge tun müssten. Und dass doch mit sechzehn sowieso kaum jemand ewig zusammenbleibt. Wieso sollten da gerade wir davon ausgehen, dass es für immer ist?« Er lachte, stockend. »Für immer hab ich nicht erwartet. Ich hab erwartet, dass sie zuerst mit mir redet, bevor sie eine solche Entscheidung trifft.«
»Ich glaube, darin ist Tessa nicht besonders gut«, erwiderte ich. »Den Leuten die Chance zu geben, anderer Meinung zu sein, wenn sie schon beschlossen hat, was sie tun wird.«
»Scheint so.« Er verzog den Mund. »Vielleicht denkst du, dass es nicht stimmt, aber mir liegt was an ihr. Eine Menge sogar. Wenn das mehr ist, als ihr an mir liegt, nun ja … Meinetwegen. Sie muss tun, was das Richtige für sie ist.«
»Tut trotzdem weh«, sagte ich, und während ich es aussprach wurde mir klar, dass auch ich mich verletzt fühlte. Ich hatte in Tessa eine Freundin gesehen. Wir hatten viel zusammen durchgemacht in den vergangenen paar Monaten. Aber auch zu mir hatte sie nichts gesagt, obwohl sie wahrscheinlich schon überlegte hierzubleiben, seit sie Hilary über das Gewächshaus ausgefragt hatte.
Ich war mir nicht sicher, ob ich versucht hätte, sie in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Wahrscheinlich nicht. Was vermutlich auch der Grund war, dass sie das Thema gar nicht erst erwähnt hatte. Für sie war das Leben immer unglaublich einfach. Beneidenswert.
»Weißt du«, sagte ich. »Du könntest einfach bei ihr bleiben. Der Impfstoff – das ist meine Sache. Ich will nicht, dass du mitkommst, wenn du lieber bei ihr bleiben würdest.«
Er sah mich zögernd an, die braunen Augen so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten.
»Du willst nicht, dass ich mitkomme, wenn ich lieber bei ihr bleiben würde«, sagte er, »oder du willst nicht, dass ich mitkomme, Punkt?«
Mein Hals wurde plötzlich ganz eng. »Leo …«, fing ich an, doch ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
»Ich will nicht, dass unser Leben so bleibt, wie es jetzt gerade ist«, sagte er. »Keine Ahnung, ob der Impfstoff irgendwas daran ändern wird, aber vielleicht tut er das. Er ist die größte Chance, die wir haben. Dafür will ich kämpfen. Wenn ich aber alles dermaßen vermasselt hab, dass du nicht mal ein gutes Gefühl dabei hast, mich um dich zu haben, dann bleibe ich hier und werde dir nicht im Weg stehen. Du brauchst es mir nur zu sagen.«
Bis zu diesem Moment war mir gar nicht bewusst gewesen, dass die Bestimmtheit in seiner Stimme genau das war, was ich hatte hören wollen. Er klang weder
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