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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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gläsernen Krankenhaustüren standen halb offen. Als Leo und ich uns näherten, schlüpfte gerade ein Mann heraus, die Arme um etwas geschlungen, das ich nicht erkennen konnte. Als er um die Ecke verschwand, nieste er.
    Einen Augenblick lang streikten meine Beine. Selbst nachdem ich wieder gesund geworden war, hatte ich das Krankenhaus auf der Insel nie ohne meine Schutzkleidung betreten, für den Fall, dass das Virus mutierte. Und für Leo war es sogar noch gefährlicher, nur mit dem Schutz eines unerprobten Impfstoffs.
    Ich zog mir den Schal fest vors Gesicht, und Leo tat es mir nach. »Na, dann wollen wir mal die Welt retten«, sagte er.
    Wir schoben uns durch den Haupteingang in den Empfangsbereich. Ein Mädchen, das nicht älter als zwölf aussah, wühlte die Schubladen hinter dem Aufnahmeschalter durch. Sie hörte kurz damit auf, um sich am Hinterkopf zu kratzen. Blätter waren kreuz und quer auf der Theke und auf dem Fußboden verstreut.
    Die dahinterliegenden Flure lagen im Halbdunkel, nur hier und da schienen ein paar Sonnenstrahlen durch die Fenster von Zimmern mit offenstehenden Türen. Von weiter drinnen hörte man Husten und Niesen. Wir entschieden uns für eine Richtung und liefen los.
    Meine Atemluft begann unter dem Schal stickig zu werden. In einem der Flure, jedoch außerhalb unseres Sichtfeldes, schniefte jemand und schlug etwas gegeneinander, das sich wie zwei metallene Gegenstände anhörte. Ein Mann mit roter Nase und roten Wangen hetzte von einem Zimmer zum nächsten. Kisten und Flaschen schepperten. Als ich hineinspähte, drehte er sich ruckartig um und knurrte: »Verschwinde! Ich war zuerst hier.«
    Wir hasteten weiter.
    Kurz darauf hallte ein Schrei von den Wänden, und zwei Frauen drängten aufeinander einschlagend vor uns um die Ecke.
    »Ich hab sie zuerst gesehen!«, rief die eine. »Sie gehört mir!«
    Leo packte mich am Arm, und wir drückten uns an die Wand, als sie an uns vorbeistolperten. Die erste der Frauen rutschte aus, während die andere sie weiter attackierte und sich dann mit einer braunen Glasflasche in der Hand umdrehte.
    »Die gehört mir!«, fauchte sie und rannte auf den Haupteingang zu. Die erste Frau rappelte sich wieder auf, ihre Atmung nur noch kleine Schluchzer, und schwankte dahin zurück, woher sie gekommen war. Ich lehnte an der Wand, und mein Puls raste.
    Leo rührte sich nicht. »Langsam hab ich das Gefühl, wir werden niemanden finden …«
    Er sprach nicht weiter, sein Blick zuckte plötzlich zu einer Stelle hinter meinem Rücken. Ich drehte mich um.
    Hinter uns war noch eine andere Frau aufgetaucht. Zerzaustes schwarz-graues Haar fiel ihr ums Gesicht, und ihre Lippen waren zu einem kleinen Lächeln verzogen.
    »Sieht aus, als kämen wir zu spät«, sagte sie.
    Meine Schultern sanken erleichtert nach unten. Wir waren also nicht die einzigen Gesunden in der Stadt.
    »Wo sind die Ärzte und Schwestern?«, fragte ich. »Was ist hier passiert?«
    Die Frau zuckte mit den Schultern. »Das, was in allen Krankenhäusern passiert ist, nehme ich an. Ich hatte davon gehört, aber ich wusste nicht, wie schlimm es wirklich ist. Kaum wurden die Medikamente knapp, hat jeder versucht sich zu nehmen, was er konnte, solange es noch ging … Es war für keinen mehr sicher, hier zu arbeiten. War ja auch klar, dass es so aussah, als würden sie sowieso nicht viel helfen. Ich denke, man kann ihnen eigentlich keinen Vorwurf machen, dass sie gegangen sind.
    »Dann sind sie also alle weg?«, fragte Leo.
    Sie senkte den Kopf. »Um hier einen Arzt zu finden, hättet ihr ein paar Monate früher kommen müssen.«
    »Wo sind sie denn hin?«, wollte ich wissen.
    »Da bin ich überfragt. Vielleicht bleiben sie einfach bei ihren Familien, so wie alle anderen, die noch am Leben sind.« Sie seufzte. »Ich weiß auch nicht, warum ich überhaupt hier bin. Wallace und mir ging es so lange gut, wisst ihr, aber gestern fing bei ihm das Jucken an, und dann das Husten, und ich dachte, ich kann doch nicht bloß zusehen. Ich muss los und versuchen irgendwas zu finden. Aber es sieht so aus, als fände ich nur eine Menge Leid und sonst nichts.«
    Ihre dunklen Augen blickten kurz Richtung Flur, wieder zu uns zurück und verengten sich, als würde sie scharf nachdenken. »Ihr seht nicht krank aus, keiner von euch.«
    »Ein Freund«, erklärte ich schnell. »Wir hatten gehofft, es könnte ihm jemand helfen. Aber da haben wir wohl Pech gehabt.«
    Wie um meine Worte zu bekräftigen, wankten weiter hinten drei

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