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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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funktioniert.«
    Wenn ich es schaffte in der Zeit, die uns noch blieb, einen Arzt zu finden. Wenn es irgendwo noch eine Klinik gab, in der nicht die komplette medizinische Ausrüstung gestohlen worden war. Und wenn noch irgendein Ort in der Stadt existierte, der Strom hatte, um diese Geräte auch zu betreiben.
    Wenn, wenn, wenn.
    Wenn Gav doch nur nicht so stur gewesen wäre. Wenn doch stattdessen ich sturer gewesen wäre. Ich hätte darauf bestehen können, dass er entweder auf der Insel bleibt oder sich impfen lässt, dann würden all diese Wenns jetzt vielleicht gar keine Rolle spielen. Weil er dann gar nicht erst krank geworden wäre.
    Ich sah zur Kühlbox, die neben dem Bett stand und in der sich diese unbezahlbare Substanz befand, die uns alle an diesen Ort verschlagen hatte. Jetzt nützte ihm der Impfstoff nicht mehr das Geringste. Und in diesem Augenblick hasste ich das Zeug.
    Gav räusperte sich, als versuchte er ein weiteres Husten zu unterdrücken. »Wir sind nicht ohne Grund hergekommen«, sagte er. »Ich will nicht derjenige sein, der die Sache vermasselt.«
    Ich ging etwas auf Abstand, so dass ich sein Gesicht sehen konnte, war ihm aber immer noch so nah, dass ich die grünen Sprenkel in seinen braunen Augen hätte zählen können. Ich berührte seine Stirn. Sie war schon wärmer als sonst, wärmer als es in diesem eiskalten Zimmer normal gewesen wäre.
    »Ärzte suchen wollten wir doch sowieso«, antwortete ich. »Du vermasselst uns gar nichts. Jetzt hab ich nur noch einen Grund mehr.«
    Ich zog seinen Schal herunter und gab ihm einen Kuss. Er zögerte einen Moment und erwiderte ihn dann. Anschließend legte er seinen Kopf an meinen. Kurz darauf begann er zu husten.
    Dieses Mal konnte er nicht wieder aufhören. Er stand auf und drehte sich keuchend zur Seite, während ich schnell die Wasserflasche aus meiner Jacke holte.
    »Hier«, sagte ich. »Du solltest was trinken. Und ich seh mal zu, ob ich ein Feuer in Gang kriege. Es ist eiskalt hier.«
    Im Wohnzimmer standen die anderen schon um den Kamin herum. »Wir können rausgehen und ein bisschen Holz sammeln«, schlug Tobias vor. »Es gibt ’ne Menge Bäume in den Parks.«
    Leo nickte. »Und wir haben ein ganzes Apartmenthaus voller Möbel.«
    »Wir sollten auch noch ein bisschen Schnee schmelzen«, sagte ich, und alle drehten sich um. »Das Trinkwasser geht uns langsam aus. Und außerdem könnten wir die anderen Wohnungen nach etwas Essbarem durchsuchen. Wenn wir Glück haben, hat sich noch keiner die Mühe gemacht, bis ganz nach oben zu steigen.«
    Im Schlafzimmer begann Gav zu niesen. Justins Blick schoss zu der verschlossenen Tür. »Wenn’s uns nur nicht in einer Woche genauso geht wie ihm«, sagte er und verzog das Gesicht. Dann verstummte er. »Hey. Da waren doch drei Ampullen Impfstoff. Wenn ich eine nehmen würde, und Tobias eine, dann wäre immer noch eine Dosis übrig.«
    Noch eine Dosis. Eine Chance, die wir so leicht verlieren konnten, wie Glas zerbricht. Und das, um zwei Leute zu impfen, die, falls Gav das Virus auf sie übertragen hatte, ohnehin schon angesteckt waren.
    »Tut mir leid«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Wir wissen noch nicht mal, ob eine Ampulle reicht. Und was, wenn sich rausstellt, dass gerade die eine, die wir aufheben, verdorben ist, weil du sie eine Zeitlang aus der Kühlbox genommen hast? Das können wir nicht riskieren. Gav wird in dem anderen Zimmer bleiben – ich werde die Einzige sein, die zu ihm reingeht.« Ich hielt inne und dachte an Gavs Umarmung, seinen Atem in meinen Haaren. »Und ich besorge mir eine andere Jacke und benutze unterschiedliche Handschuhe und Mützen, so dass ich da drin und hier draußen nicht dieselben Sachen anhabe. Dann verbreite ich es auch nicht weiter.«
    »Er ist doch auch geimpft«, protestierte Justin und zeigte auf Leo. »Warum er und nicht wir alle?«
    »Als ich das entschieden habe, wusste ich nicht, wie schwierig die Sache werden würde«, erwiderte ich. »Hätte ich geahnt, dass …«
    Hätte ich ihn trotzdem gebeten, den Impfstoff zu nehmen? Und Tessa?
    »Dann hätte ich nein gesagt«, erklärte Leo. »So wie Gav. Hätte ich wahrscheinlich ohnehin tun sollen.«
    Tobias ließ sich auf das Ledersofa fallen. »Ich sehe das wie Kae«, sagte er. »Dieser Impfstoff ist wichtiger als jeder Einzelne von uns.«
    »Machst du Witze?«, fragte Justin ungläubig. Und als Tobias seiner Meckerei mit einem messerscharfen Blick begegnete, warf er die Arme in die Höhe. »Ihr seid doch

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