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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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der Wohnung, um etwas zu essen, und anschließend machten wir vier uns gemeinsam auf den Weg zum Rathaus, um dort nach einem Zugang zu suchen. Abends nach dem Essen fummelte Tobias in der Regel am Funkgerät herum, und ich betete dafür, Drews Stimme zu hören.
    Unser ganzer Einsatz hatte uns bisher noch nicht weitergebracht. In den Dutzenden medizinischer Einrichtungen, in denen wir gewesen waren, hatten wir nicht einen einzigen Mitarbeiter gefunden. Und Medikamente auch nicht. Am vierten Tag stießen wir auf einer der Stationen auf zwei Leichen mit Einschusslöchern in den Jacken. Ihre Augen waren mit einer eisigen Schicht überzogen. Wir gingen einfach weiter.
    »Irgendwo Glück gehabt?«, erkundigte sich Gav mit einem inzwischen dauerhaften Kratzen in der Stimme, als ich ins Schlafzimmer kam, um mit ihm zu Mittag zu essen.
    »Wir suchen noch«, antwortete ich, zwang mich dabei, optimistisch zu klingen, und fing dann an, davon zu erzählen, dass Tobias und Justin noch eine Tüte voll Essen ergattern konnten. Die Medizinschränke, die sie erfolglos durchsucht hatten, so dass wir nun noch nicht einmal ein paar simple Schmerz- oder Schnupfenmittel besaßen, um Gavs Symptome zu bekämpfen, erwähnte ich nicht.
    Als wir an diesem Nachmittag Richtung Rathaus unterwegs waren, sah ich mich in den leeren Straßen mit den dunklen Fenstern um und versuchte, ein wenig von der Hoffnung heraufzubeschwören, die mich so weit gebracht hatte. Mit jedem Mal, an dem ich wieder in diese verwüstete Stadt hinaustrat, wurde es schwieriger.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Leo, als wir zusammen durch die Straßen liefen.
    Die Frage brachte mich zum Lachen. »Klar«, erwiderte ich, obwohl es das nicht war. Nichts war in Ordnung. Selbst wenn wir jemanden fänden, der die Impfstoffproben reproduzieren konnte, ich war nicht mal mehr davon überzeugt, dass der Impfstoff alles wieder in Ordnung bringen könnte, wie ich es mir erhofft hatte. Die Welt, die wir einmal hatten, die Welt, die ich zurückhaben wollte – sie erschien mir immer mehr wie ein Traum. Und ich hatte nicht den kleinsten Schimmer davon an diesem Ort gesehen.
    Selbst wenn wir das Virus jetzt besiegten, konnte Leo das, was er hatte tun müssen, nicht rückgängig machen. Ich konnte kein Mensch werden, der noch nie jemanden hatte sterben sehen, der noch nie Lebensmittel oder Kleidung oder Autos gestohlen hatte. Alle, die noch am Leben waren, hatten sich verändert – ohne uns zu verändern, hätten wir nicht überleben können. Und selbst wenn wir wieder die Alten werden könnten, würde das den ganzen anderen Schaden, den das Virus angerichtet hatte, nicht ungeschehen machen. Wer war denn noch übrig, um die Kraftwerke zu betreiben? Um die Läden mit Waren zu beliefern, jetzt, wo die Fabriken alle geschlossen waren und die Felder alle brachlagen und die Laster mit leeren Tanks irgendwo steckengeblieben waren?
    Damals auf unserer kleinen Insel, die wir beinahe allein zusammenhielten, da konnte ich mir vorstellen, dass das Problem auch klein war. Aber es ging nicht nur um die Insel. Es ging um die ganze Welt.
    Als wir das Rathaus erreichten, schob ich all diese Gedanken beiseite. Die Temperatur war über den Gefrierpunkt gestiegen, so dass von den Eiszapfen über den Eingängen Schmelzwasser tröpfelte. Wir schwärmten aus, pochten an die Türen und riefen nach den Menschen, von denen wir annahmen, dass sie vielleicht noch immer dort drin und am Leben waren. Dann versuchten wir, eins der Bretter an den kaputten Fenstern loszuschlagen. Eine Stunde später hatte uns weder irgendjemand geantwortet, noch hatte das Brett sich bewegt. Schließlich ließ Tobias davon ab und schüttelte den Kopf.
    Die schrumpfenden Schneeverwehungen, die sich auf dem Vorplatz verteilten, gaben mehr preis, als ich sehen wollte. Den grünen Schimmer eines Mantels, der einen zusammengesackten Rücken bedeckte. Eine bläuliche Hand und den Aufschlag eines Ärmels. Zwei Füße in Socken, unnatürlich verdreht. Vielleicht weil jemand gewaltsam ein Paar Stiefel davon abgezogen hatte?
    Ich schauderte und wandte mich ab. »Lass uns gehen«, sagte ich, »bevor wir noch mehr Plünderer anlocken.« Zwei Tage zuvor waren uns auf dem Weg zur Wohnung ein paar Gestalten hinterhergeschlichen. Sie interessierten sich wahrscheinlich dafür, wo wir untergekommen waren und was wir an Vorräten hatten. Und ob sie uns die wohl abnehmen könnten. Wir waren sie losgeworden, indem wir uns durch eine Reihe von Häusern und

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