Und wenn wir fliehen (German Edition)
Parkplätzen schlängelten, aber ich war nicht scharf darauf, ihnen oder irgendjemand anderem noch einmal über den Weg zu laufen.
Wir hatten den Vorplatz gerade halb überquert, als irgendwo an der Straße ein Motor ansprang. Ganz in der Nähe.
Leo erstarrte, und ich musste daran denken, was er gesagt hatte, als wir das letzte Mal ein Auto gehört hatten. Tobias griff nach seiner Waffe. Justin lief los, beinahe ungeduldig, doch ich packte ihn an der Rückseite seiner Jacke.
»Lieber nicht auffallen«, erinnerte ich ihn. Es wäre viel schwieriger, ein Auto abzuhängen als jemanden zu Fuß. Ich drehte mich um, suchte ein Versteck. Aber das Auto kam zu schnell näher, sein Motor in der stillen Luft laut donnernd. Mein Blick glitt zu einer der halbverdeckten Leichen, und da fand ich die Antwort.
»Stellt euch tot!«, rief ich und setzte mich schon in Bewegung. Ich warf mich auf eine der höheren Verwehungen, schob mir etwas Schnee über den Rücken, damit es aussah, als hätte ich schon eine Weile da gelegen, und verhielt mich ganz still. Um mich herum gab es ein kurzes Scharren, von dem ich hoffte, dass es die anderen waren, die meinem Beispiel folgten. Ich hielt die Luft an, während die Kälte des Schnees durch meinen Schal drang.
Beutelratten konnten stundenlang so ausharren. Andere Tiere auch. Meine Großmutter erzählte regelmäßig die Story von ihrer großen Familienreise nach Südafrika und rieb sich dabei immer die Narbe auf ihrem Handrücken. Sie war damals neun gewesen und hatte eine Schlange mit heraushängender Zunge im Gras liegen sehen, die sie ein paarmal mit der Fußspitze angestupst hatte. Das Tier hatte tot ausgesehen, bis Großmutter sich hinhockte und die Hand ausstreckte, um seine Schuppen anzufassen.
Ich war nicht sicher, ob ich eine ebenso überzeugende Vorstellung hinlegen konnte, aber wenn ich Glück hatte, würde niemand kommen und mich anstupsen.
Der Untergrund vibrierte leicht, als das Auto näher kam. Es wurde langsamer. Mein Pulsschlag setzte ein paarmal aus, doch der Fahrer musste gerade um eine Ecke gebogen sein. Das Motorengeräusch schwoll noch einmal kurz an und verschwand dann langsam in der Ferne.
Als ich nichts mehr hörte, richtete ich mich auf. Die anderen rappelten sich ebenfalls hoch und wischten sich die Schneereste von den Kleidern. Justin grummelte vor sich hin, aber mir war plötzlich nach einem Lächeln zumute. Immerhin hörte er jetzt auf mich. Wir hatten es ein weiteres Mal geschafft, uns in Sicherheit zu bringen, ganz ohne Kampf und ohne verletzt zu werden. Das war so etwas wie ein Sieg.
Meine Gedanken wanderten zurück zu Gav, der nach unserem Ausflug auf uns warten würde, und meine Euphorie bekam einen Dämpfer. Denn es war ein Sieg, der mich seiner Rettung kein bisschen näher brachte.
»Habt ihr immer noch keine Telefonbücher in den Wohnungen gefunden?«, fragte ich Tobias, als wir uns wieder auf den Weg machten.
»Ich nehme an, es werden keine gedruckten mehr verschickt«, antwortete er. »Die Leute gehen einfach ins Internet.«
Was uns jetzt natürlich nicht viel nützte. »Wir müssen unbedingt eins auftreiben«, sagte ich. »Da könnten die Adressen von ein paar Privatlaboren drinstehen.«
»Glaubst du immer noch, dass wir hier irgendwo Ärzte finden?«, fragte Justin, während er einen Eisklumpen vor sich herkickte.
»Es sind doch noch Leute hier«, antwortete ich. »Eine ganze Menge sogar, wenn ich richtig drüber nachdenke. Es muss doch noch irgendwer mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen dabei sein.«
Aber uns ging die Zeit aus. Gav ging die Zeit aus. Ich lief schneller. »Ich suche selbst noch mal das ganze Gebäude ab, wenn wir zurück sind.«
In der Eile bemerkte ich die Bewegung hinter uns nicht, bis wir die ersten beiden Treppenabsätze hinaufgestiegen waren. Am Handlauf unter uns strich etwas entlang und ich blieb mit einem Kribbeln im Nacken stehen.
Es folgte uns jemand.
Ich zwang mich, weiterzugehen. Als wir in unserem Stockwerk ankamen, stupste ich Tobias an der Schulter und lief an ihm vorbei die nächste Treppe hinauf. Die anderen sahen mich verwirrt an, kamen aber hinterher. Auf dem Absatz zur fünften Etage drängte ich mich rasch an den Türen vorbei einige Schritte den Gang entlang, bevor ich stehen blieb.
»Was ist …«, begann Justin, und ich hob schnell einen Finger zum Mund.
»Wir werden verfolgt«, sagte ich. »Passt mal auf.«
Wir standen in einer Reihe, auf alles gefasst, und warteten. Kurz darauf öffnete
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