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Und wieder Carmel

Und wieder Carmel

Titel: Und wieder Carmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellen May
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unauffällig unter meinen Arm und bin erleichtert, dass auf meinem bunten
Sommerkleid keine Schweißflecke zu sehen sind. Bei meinen merkwürdigen
Verrenkungen stoße ich mit dem Ellenbogen gegen Alex und der beobachtet meine
Kleiderinspektion missbilligend aus dem Augenwinkel. Dann sieht er erst an mir
und dann an sich hinunter. Sein kurzärmeliges, weißes Hemd sitzt makellos, ohne
ein Anzeichen von Knitterfalten oder Schweißflecken. Er ist einfach perfekt ,
denke ich. Glücklicherweise setzt sich Amy zu mir.
„Na, alles in Ordnung?“, fragt sie.
„Ja, alles gut.“
„Ich sehe schon, zwischen dir und Alex herrscht wieder Eiszeit.“
„Er zieht es vor, mich zu ignorieren.“
„Du kennst ihn doch, er braucht immer ein wenig, bis er aufgetaut ist.“
„Dieses Mal wird die Zeit nicht reichen Amy. Ich hatte gedacht, wir könnten uns
vernünftig unterhalten, wie Erwachsene.“
„Du weißt schon, dass er anders ist als alle anderen?“
„Das sollte ich, ja. Aber nach zwölf Jahren hatte ich gehofft, er würde sich
ein wenig angepasst haben.“
„Das kannst du vergessen, der ändert sich nie und er passt sich bestimmt nicht
an. Ich vermute, er wird seinem Großvater immer ähnlicher und irgendwann haust
er auch in einer einsamen Hütte und vergrault jeden, der ihm zu nahe kommt.“
„Meinst du?“
„Ja. Die Einzige, mit der Alex Walker je gut klarkam, warst du. Ich weiß nicht
genau, wie viele Frauen er nach dir gehabt hat, aber gesehen haben wir hier nie
eine.“
„Wohnt Alex denn noch hier?“
„Nein, er wohnt in LA, soweit ich weiß. Aber auch da gibt es Berge mit einsamen
Hütten.“
„Hmm, soll mich das jetzt freuen oder traurig machen?“, frage ich.
„Freu dich“, scherzt Amy und prostet mir zu.
Großvater Lou , denke ich, ein eigenwilliger Kauz, der konnte mich
noch nie leiden . Begegnet war ich ihm bei meinem ersten und einzigen
Weihnachtsfest in Carmel. Als ich ihm vorgestellt wurde, beäugte er mich
argwöhnisch und ignorierte meine Hand zur Begrüßung. Alex tat dies mit den
Worten: „Er ist ein wenig eigenwillig“, ab.
Den ganzen Abend saß Großvater Lou still am Tisch und wenn er etwas zu sagen
hatte, dann sprach er nur mit Alex. Er machte mir ein wenig Angst, ebenso seine
merkwürdigen Blicke.
Als wir ihn am späten Abend nach Hause fuhren, entstand im Wagen eine
unangenehme Stille und Kälte. So unwohl hatte ich mich selten gefühlt. Nachdem
wir ihn abgesetzt hatten, fragte ich Alex: „Ist Großvater Lou der, der damals
in Deutschland stationiert war?“
„Ja. Er spricht im Allgemeinen sehr gut über seine Zeit dort, aber die Sache
mit Klara Krohn, die treibt ihm heute noch die Tränen in die Augen“, erklärte
Alex.
„Und sie konnte nicht mit hierher kommen?“
„Sie war damals noch sehr jung und ihr Vater verbot ihr den Umgang mit meinem
Grandpa. Er bat sie, mit ihm durchzubrennen, doch sie traute sich nicht. Also
flog er zurück und sie blieb dort.“
„Das ist traurig.“
Alex hielt vor dem Haus der Larsons und stellte den Motor nicht ab. Verwundert
sah ich ihn an und fragte. „Kommst du nicht noch mit hinein?“
„Nein“, antwortete er, mit einem kühlen und distanzierten Gesichtsausdruck.
„Ok“, antwortete ich, denn ich wusste, ich durfte jetzt nicht bohren, dass
würde ihn nur nerven und er würde gar nichts mehr sagen. Ich stieg aus und
schloss die Tür. Alex fuhr davon, ohne Abschiedsgruß und ohne einen Kuss.
    Dieser Abend war damals schrecklich für mich, ich
fühlte mich hilflos und verloren. Genau wie jetzt, wo ich hier im Restaurant
mit den anderen Gästen sitze und Alex ausschließlich mir gegenüber kühl und
abweisend ist. Ich denke, dass Amy recht haben könnte und Alex seinem Großvater
immer ähnlicher wurde.
Es macht mich traurig und die Erinnerungen an den damaligen Silvesterabend
kommen wieder hoch. Nach der damaligen Weihnachtsfeier sah ich ihn ein paar
Tage nicht. Victoria richtete mir am Telefon aus, dass er ein paar Tage bei
seinem Großvater sein würde und wir uns auf der Party in Scotts Strandhaus
sehen würden. Überrascht und traurig nahm ich die Nachricht hin. Im Laufe des
Tages ärgerte ich mich, weil Alex mir nicht persönlich von seinen Plänen
erzählt hatte. Das Gefühl, dass er meinetwegen bei seinem Großvater war,
verstärkte sich zunehmend.
Ich ertrug die Tage ohne ihn still leidend und zählte die Stunden, bis Scott
uns endlich zur Party abholte.
Als wir dort ankamen, war Alex schon betrunken. Es war das erste Mal, dass ich
ihn so

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