Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
war, ohne etwas gefunden zu haben, und wußte, daß er als nächstes Nicolas Fluchtweg in den Tod würde nachgehen müssen, hielt er inne, um sich zu orientieren. Dabei fiel sein Blick auf die Feuerstelle in der Mitte des Kreises.
    Er sah, daß sie sich von den übrigen in dreierlei Hinsicht unterschied: Die Spuren waren frischer – es lagen Stücke verkohlten Holzes da, die noch nicht zu Asche zerfallen oder zu einer unförmigen Masse verschmolzen waren –, unverkennbare Anzeichen verrieten, daß hier die Leute von der Spurensicherung am Werk gewesen waren, und der Ring aus Steinen um die Feuerstelle herum war an einer Stelle aufgebrochen, als hätte jemand das Feuer ausgetreten und dabei die Steine verschoben. Beim Anblick dieser Steine mußte Lynley unwillkürlich an die Fotos des toten Terry Cole denken und an die Verbrennungen auf der einen Seite seines Gesichts.
    Er trat näher und ging neben der Feuerstelle in die Hocke. Zum ersten Mal dachte er darüber nach, was die Brandverletzungen im Gesicht des Toten zu bedeuten hatten. Nach dem Grad der Verbrennung zu urteilen, mußte der Junge ziemlich lang mit dem Feuer in Berührung gewesen sein. Aber er war nicht mit Gewalt in die Flammen hineingedrückt worden; dagegen hätte er sich sicherlich gewehrt, und dann hätte man an seiner Leiche Spuren dieses Kampfs festgestellt. Dr. Myles zufolge hatte Terry Coles Leichnam aber keinerlei Verletzungen aufgewiesen, die auf einen solchen Abwehrkampf hingedeutet hätten: keine Blutergüsse oder Schrammen an den Händen oder Fingerknöcheln, keine Hautabschürfungen an seinem Oberkörper. Und dennoch, dachte Lynley, war er lange genug mit dem Feuer in Kontakt gekommen, um schwere Verbrennungen zu erleiden, so schwer, daß seine Haut verkohlt war. Dafür schien es nur eine einleuchtende Erklärung zu geben: Cole mußte in das Lagerfeuer gefallen sein. Aber wie?
    Lynley hockte sich auf die Fersen und ließ seinen Blick über den Steinkreis schweifen. Er sah, daß ein zweiter, schmälerer Weg aus dem Dickicht hinausführte – direkt gegenüber dem Pfad, auf dem er gekommen war. Er hatte ihn hier, an der Feuerstelle, genau im Blick. Das mußte der Weg sein, auf dem Nicola zu fliehen versucht hatte. Er stellte sich die Szene am Dienstag abend vor: Die beiden jungen Leute sitzen am Feuer zusammen. Außerhalb des Steinkreises lauern unsichtbar und unhörbar zwei Mörder. Sie warten nur auf den richtigen Augenblick. Als die Gelegenheit da ist, stürmen sie aus der Dunkelheit zum Feuer und fallen über ihre Opfer her, um kurzen Prozeß mit ihnen zu machen.
    Es erscheint durchaus plausibel, dachte Lynley. Aber wenn es sich so abgespielt hatte, wieso hatten die Mörder dann Nicola Maiden entkommen lassen? Er konnte sich nicht vorstellen, wie es der jungen Frau gelungen sein, hundertfünfzig Meter weit zu laufen, ehe sie überhaupt angegriffen worden war. Daß es ihr geglückt sein könnte, vom Feuer zu fliehen und den zweiten Pfad aus dem Steinkreis zu erreichen, war gerade noch denkbar; aber wie hatte sie es geschafft, ungehindert eine solche Strecke zurückzulegen, zumal ja doch das Überraschungsmoment auf selten der Killer gewesen war? Gewiß, sie war eine erfahrene Wanderin gewesen, aber was zählte Erfahrung, wenn man bei stockfinsterer Nacht in Panik um sein Leben lief? Und wie war es möglich gewesen, daß sie so blitzschnell reagiert und die Lage so klar erfaßt hatte? Sie mußte doch mindestens fünf Sekunden gebraucht haben, um zu erkennen, daß ernste Gefahr drohte, und diese Verzögerung hätte den Mördern voll und ganz gereicht, um sie gleich an Ort und Stelle zu töten, statt erst hundertfünfzig Meter entfernt.
    Lynley runzelte die Stirn. Wieder sah er das Foto des Jungen vor sich. Diese Verbrennungen in seinem Gesicht waren von entscheidender Bedeutung. Sie erzählten die wahre Geschichte, das wußte er.
    Er griff nach einem Stock – halb verkohlt vom Feuer – und stocherte damit in der Asche herum, während er angestrengt nachdachte. Nicht weit entfernt entdeckte er den ersten der inzwischen eingetrockneten Blutspritzer aus Terry Coles Wunden. Jenseits dieser Flecken war das trockene Moorgras in einer zickzackförmigen Spur niedergedrückt, die zu einem der Steinpfeiler führte. Schritt für Schritt folgte Lynley dieser Spur und sah, daß der ganze Weg bis zum Stein mit Blut gesprenkelt war.
    Aber es waren nur Spritzer und Tropfen, keine Lachen, nicht die Menge, die angesichts der zahlreichen Stichwunden, die

Weitere Kostenlose Bücher