Undank Ist Der Väter Lohn.
fragte Barbara.
»Jetzt?«
»Ja, was tun Sie jetzt?« schaltete sich Nkata ein. »Wo sind sie jetzt beschäftigt?«
Sie habe angefangen, als Model zu arbeiten, erklärte sie. Das sei immer schon ihr Traum gewesen, und Nikki hate sie ermutigt, es zu versuchen. Sie zeigte ihnen eine Mappe mit professionell gemachten Aufnahmen, die sie in den verschiedensten Aufmachungen zeigten. Auf den meisten Bildern sah sie aus wie eine verlorene Seele: mager und großäugig, mit jenem Ausdruck von Leere im Gesicht, der derzeit bei Modeaufnahmen obligatorisch war.
Barbara sah sich die Fotos an und bemühte sich um Unvoreingenommenheit während sie sich im stillen fragte, wann die üppigeren Formen – so wie ihre eigenen – endlich wieder in Mode kommen würden. »Sie scheinen Erfolg zu haben. Diese Wohnung hier ... die ist doch sicher nicht billig, nicht wahr? Ist es übrigens eine Eigentumswohnung?«
»Nein, sie ist gemietet.« Vi sammelte ihre Fotos ein und legte sie wieder in die Mappe.
»Von wem?« erkundigte sich Nkata, der eifrig schrieb, ohne aufzustehen.
»Spielt das eine Rolle?«
»Sagen Sie es uns, dann wird es sich zeigen«, versetzte Barbara.
»Von Douglas und Gordon.«
»Zwei Bekannte von Ihnen?«
»Nein, das ist eine Immobilienfirma.«
Vi legte die Mappe wieder an ihren Platz auf einem Bord unter dem Fernsehapparat, und Barbara wartete, bis die junge Frau zu ihnen zurückkam, ehe sie fortfuhr.
»Mr. Reeve«, sagte sie, »hat behauptet, Nicola Maiden hätte es mit der Wahrheit nicht immer so genau genommen und erst recht nicht mit der Diskretion. Er sagte, er hätte sowieso vorgehabt, ihr zu kündigen, wenn sie nicht von selbst gegangen wäre.«
»Das stimmt nicht.« Vi war stehengeblieben, die Arme über ihrem flachen Busen verschränkt. »Wenn er vorgehabt hätte, sie zu feuern, was nicht der Fall war, dann hätte er es wegen seiner Frau getan.«
»Wieso das?«
»Eifersucht. Tricia ist jede Frau, der er nachschaut, ein Dorn im Auge.«
»Und er hat Nicola nachgeschaut?«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Jetzt hören Sie mal, wir wissen, daß sie einen Liebhaber hatte«, sagte Barbara. »Wir wissen, daß er in London wohnt. Könnte dieser Liebhaber Mr. Reeve gewesen sein?«
»Wohl kaum. Tricia läßt ihn ja keine zehn Minuten aus den Augen.«
»Aber möglich wäre es?«
»Nein. Nikki hatte jemanden, das ist wahr. Aber nicht hier. Oben, in Derbyshire.« Vi ging in die Küche und kam mit einer Handvoll Ansichtskarten zurück, die verschiedene Sehenswürdigkeiten im Peak District zeigten: Arbor Low, Peveril Castle, Thor’s Cave, Chatsworth House, Magpie Mine, Little John’s Grave, Nine Sisters Henge. Die Karten waren alle an Vi Nevin adressiert und hatten alle den gleichen Text – »O la la«, gefolgt von dem Anfangsbuchstaben »N«. Das war alles.
Barbara reichte die Ansichtskarten Nkata und sagte zu Vi:
»Okay, ich schluck’s. Vielleicht klären Sie mich über die Bedeutung dieser Bilderrätsel auf.«
»Das sind alles die Orte, wo sie mit dem Mann Sex hatte. Jedesmal, wenn sie sich an einem neuen Ort getroffen haben, hat sie eine Ansichtskarte gekauft und mir geschickt. Zum Spaß.«
»Echt witzig«, stimmte Barbara zu. »Und wer ist der Mann?«
»Das hat sie mir nie gesagt. Aber ich vermute, er ist verheiratet.«
»Wieso vermuten Sie das?«
»Weil sie ihn, abgesehen von den Karten, nicht ein einziges Mal erwähnt hat, wenn wir miteinander telefoniert haben. Woraus ich geschlossen habe, daß die Beziehung nicht ganz koscher war.«
»Vielleicht hatte sie für solche Beziehungen eine Vorliebe.«
Nkata legte die Karten auf den Couchtisch und machte sich eine Notiz. »Hat sie noch andere verheiratete Männer gehabt?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe lediglich gesagt, daß dieser Mann hier meiner Ansicht nach verheiratet war. Und er war eindeutig nicht aus London.«
Dieser vielleicht nicht, dachte Barbara. Aber einer ihrer anderen Liebhaber. Sie mußte in London jemanden gehabt haben. Wenn sie die Absicht gehabt hatte, am Ende des Sommers nach London zurückzukehren, mußte sie einer sicheren Einkommensquelle gewiß gewesen sein. Und war es angesichts dieser hypermodernen, frisch renovierten luxuriösen Maisonettewohnung, die ganz der gängigen Vorstellung vom Liebesnest entsprach, unlogisch anzunehmen, daß ein gutbetuchter Liebhaber sie hier installiert hatte, um sie Tag und Nacht zu seiner Verfügung zu wissen?
Damit stellte sich allerdings die Frage, was zum Teufel Vi Nevin hier
Weitere Kostenlose Bücher