Undank Ist Der Väter Lohn.
Fahrt nach Derbyshire war –«
»Havers, ich sage es nicht noch einmal!«
»Aber, Sir –«
»Verdammt noch mal! Nein.« Lynley merkte, daß er nahe daran war zu explodieren. Die Halsstarrigkeit der Frau trieb ihn zur Weißglut. »Wenn Sie behaupten wollen, daß jemand ihm eigens bis nach Derbyshire hinterhergefahren ist, um ihn umzubringen, liegen Sie völlig falsch. Alles, was wir bis jetzt aufgedeckt haben, führt direkt zu Nicola Maiden, und wenn Sie nicht fähig sind, das zu sehen, dann ist Ihnen nach Ihrem Ausflug auf die Nordsee im letzten Juni offenbar noch einiges mehr abhanden gekommen als nur Ihr Rang.«
Sie biß die Zähne aufeinander. Ihre Lippen wurden schmal. Nkata stieß einen schweren Seufzer aus und murmelte unterdrückt: »Verdammt.«
»Also«, sagte Lynley, um Zeit zu gewinnen. Er nutzte die Zeit, um seinen Zorn zu zügeln. »Wenn Sie die Versetzung in ein anderes Team wünschen, Havers, dann sagen Sie das klar und deutlich. Es gibt eine Menge Arbeit.«
Fünf Sekunden verstrichen. Nkata und Barbara tauschten einen Blick, den Lynley nicht deuten konnte.
»Ich wünsche keine Versetzung«, sagte Barbara schließlich.
»Dann wissen Sie ja, was Sie zu tun haben.«
Wieder ein kurzer Blickwechsel mit Nkata. Dann sah sie Lynley an. »Sir«, sagte sie höflich und ging hinaus.
Erst als Lynley mit Nkata den Platz getauscht und sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte, fiel ihm ein, daß er sie überhaupt nicht nach dem Ergebnis ihrer Arbeit am Computer gefragt hatte. Aber er meinte, wenn er sie jetzt zurückriefe, würde er ihr damit einen Vorteil einräumen. Und das war etwas, was er in diesem Moment auf keinen Fall tun wollte.
»Als erstes gehen wir dieser Prostituiertengeschichte nach«, sagte er zu Nkata. »Da könnte sich ein handfestes Motiv ergeben.«
»Ja, es wäre ein ziemlicher Schlag für einen Mann, wenn er rauskriegt, daß seine Angebetete im horizontalen Gewerbe tätig ist.«
»Und da sie dieses Gewerbe in London betrieben hat, ist anzunehmen, daß am ehesten jemand hier in London das herausbekommen hat, meinen Sie nicht?«
»Doch, da bin ich ganz Ihrer Meinung.«
»Dann schlage ich vor, wir versuchen, dem Londoner Liebhaber auf die Spur zu kommen«, sagte Lynley abschließend. »Und ich weiß auch schon, wo wir mit der Suche anfangen.«
16
Vi Nevin nahm die Postkarte von Lynley entgegen und legte sie, nachdem sie einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, sorgsam auf die blanke Glasplatte des Couchtischs vor den beiden über Eck gestellten buttergelben Sofas. Sie selbst hatte es sich auf dem größeren bequem gemacht und das kleinere Lynley und Nkata überlassen, wo die beiden Schenkel an Schenkel hätten sitzen müssen. Aber Nkata hatte ihr den Gefallen nicht getan. Er hatte sich an der Tür aufgebaut, die Arme vor der Brust verschränkt und in einer Körperhaltung, die besagte: kein Entkommen.
»Sie sind das Schulmädchen, das auf der Karte abgebildet ist, ist das richtig?« begann Lynley.
Vi holte die Mappe hervor, die sie am vergangenen Tag schon Barbara Havers und Nkata gezeigt hatte. Sie schob sie über den Tisch. »Ich bin Model, Inspector. Damit verdiene ich mein Geld. Ich weiß nicht, wer die Fotos verwendet und für welchen Zweck, und es ist mir auch ziemlich gleichgültig. Hauptsache, ich werde bezahlt.«
»Soll das heißen, Sie stellen Ihre Fotos nur zu Werbezwecken für sexuelle Dienste zur Verfügung, die jemand anderer anbietet?«
»Ganz recht.«
»Ich verstehe. Aber wieso steht Ihre Telefonnummer auf der Karte, wenn Sie gar nicht das Schulmädchen sind, das da seine Dienste anbietet?«
Ihr Blick schweifte ab. Sie war intelligent, relativ gebildet und schlau, aber so weit hatte sie nun doch nicht vorausgedacht.
»Sie wissen genau, daß ich überhaupt nicht mit Ihnen sprechen muß«, sagte sie. »Und was ich tue, ist nicht verboten, tun Sie also nicht so, als wäre es illegal.«
Er sei nicht hergekommen, um ihr die Feinheiten der geltenden Gesetze zu erklären, erwiderte Lynley. Wenn sie aber ihr Geld mit Prostitution verdiene – »Dann zeigen Sie mir doch mal, wo auf dieser Karte steht, daß mich irgend jemand für irgend etwas bezahlt«, unterbrach sie ihn.
Wenn sie ihr Geld mit Prostitution verdiene, wiederholte Lynley, dann wisse sie ja wohl, wann für sie Vorsicht geboten sei, und sicherlich – »Stehe ich vielleicht an irgendwelchen Ecken herum? Biete ich meine Dienste an öffentlichen Orten an?«
Und sicherlich, fuhr er unbeirrt fort,
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