Undank Ist Der Väter Lohn.
für eine Versteigerung, und was da aus dem Lastwagen vor dem Haus angeschleppt wurde, waren wohl Gegenstände, die bei dieser Gelegenheit unter den Hammer kommen sollten. Größtenteils handelte es sich um Gemälde in reichverzierten goldenen Rahmen, und der ganze Raum war voll davon: Sie waren in Kisten gestapelt, lehnten oder hingen an den Wänden, lagen auf dem Fußboden herum. Angestellte in blauen Kitteln und mit Klemmbrettern ausgerüstet, eilten geschäftig hin und her und versahen sie mit Vermerken, um die Stücke verschiedenen Kategorien mit den Bezeichnungen »Rahmenschaden«, »Restaurierung« und »Brauchbar« zuzuordnen.
Hinter einem Ladentisch hingen an einer Glaswand Plakate vergangener und kommender Versteigerungen. Neben Gemälden hatte das Haus im Laufe der Jahre eine Vielzahl anderer Wertobjekte zur Versteigerung gebracht, vom Bauernhof in der Republik Irland bis hin zu Silber, Schmuck und kleinen Kunstgegenständen.
Das Auktionshaus war sehr viel größer, als die beiden bescheidenen Schaufenster, die zur Straße zeigten, verrieten. Drinnen öffnete sich eine ganze Flucht von Räumen bis hinauf zur Old Bond Street. Barbara wanderte von Saal zu Saal, bis sie sich zu Neil Sitwell durchgefragt hatte.
Sitwell, rundlich und mit feuerrotem Haarschopf, führte, wie sich herausstellte, die Oberaufsicht über die emsigen Scharen, die hier tätig waren. Als Barbara ihn endlich entdeckte, hockte er gerade vor einem rahmenlosen Gemälde von drei Jagdhunden, die unter einer alten Eiche tollten. Sein Klemmbrett lag neben ihm auf dem Boden, und er hatte seine Hand in voller Länge durch einen großen Riß in der Leinwand geschoben, der wie ein zuckender Blitzstrahl von der rechten oberen Ecke abwärts verlief. Oder wie ein Kommentar zu dem Werk selbst, dachte Barbara: Es schien ihr ein ziemlich mißratener Versuch zu sein.
Sitwell zog seine Hand wieder heraus. »Bringen Sie das zur Restaurierung, und sagen Sie den Leuten, daß wir es in sechs Wochen brauchen«, rief er einem jungen Mitarbeiter zu, der mit einem Stapel Gemälde unter dem Arm vorübereilte.
»In Ordnung, Mr. Sitwell«, rief der Junge. »Wird sofort erledigt. Ich will die hier nur schnell wegbringen. Dann bin ich gleich wieder da.«
Sitwell hievte sich mit einiger Mühe in die Höhe. Er nickte Barbara zu und deutete dann auf das Gemälde, das er begutachtet hatte. »Das wird um die zehntausend bringen.«
»Im Ernst?« fragte Barbara. »Wegen des Malers?«
»Nein, wegen der Hunde. Sie wissen doch, wie Engländer sind. Ich persönlich kann sie nicht ausstehen. Hunde, meine ich.
Also, was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte Sie gern einen Moment gesprochen, möglichst ungestört.«
»Worum geht’s denn? Wir ersticken hier in Arbeit. Und heute nachmittag kommen noch zwei Ladungen.«
»Um Mord.« Barbara hielt ihm ihren Ausweis hin. Das wirkte. Seine Aufmerksamkeit gehörte ihr.
Er führte sie eine schmale Treppe hinauf zu seinem Büro, einem kleinen Kabäuschen mit Blick auf die Ausstellungsräume. Es war einfach eingerichtet mit einem Schreibtisch, zwei Stühlen und einem Aktenschrank. Einzige Dekoration – wenn man es denn so nennen konnte – waren die Wände. Vom Boden bis zur Decke mit Kork tapeziert, waren sie vollgepflastert mit Hunderten von Zeitungsausschnitten, Anzeigen und Plakaten, die die Geschichte des Unternehmens erzählten, bei dem Mr. Sitwell tätig war. Das Auktionshaus schien eine große Vergangenheit zu haben, aber wie ein wenig beachtetes Kind in einem Kreis glänzender Geschwister mußte es sich lauthals bemerkbar machen, um neben so renommierten Häusern wie Sotheby’s und Christie’s Aufmerksamkeit zu finden.
Barbara erklärte Sitwell in aller Kürze, worum es ihr ging: Ein junger Mann, Terry Cole, der in Derbyshire ermordet aufgefunden worden war, habe unter seinen Sachen eine Geschäftskarte mit Neil Sitwells Namen aufbewahrt, sagte sie. Ob Mr. Sitwell eine Ahnung habe, warum?
»Er bezeichnete sich als Künstler«, fügte sie erläuternd hinzu.
»Eine Art Bildhauer. Er hat Objekte aus Gartengeräten und landwirtschaftlichen Geräten gemacht. Das waren seine Skulpturen. Könnte ja sein, daß Sie ihm einmal begegnet sind. Vielleicht bei einer Ausstellung ... sagt Ihnen das was?«
»Überhaupt nichts«, antwortete Sitwell. »Ich gehe natürlich zu Ausstellungseröffnungen. Man möchte ja über Trends in der Kunstszene auf dem laufenden bleiben. Sein Gefühl dafür schärfen, was sich mal verkaufen wird
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