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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bin«, antwortet sie, während sie sich tiefer sinken ließ und den orangeroten Kopf in die offene Hand stützte.
    »Ich bin drüben an der Earl’s Court Station ... damit ich den Leuten helfen kann, die sich nicht auskennen, wenn sie aus der U-Bahn kommen«, fügte sie mit einem süffisanten Lächeln hinzu.
    »Gestern abend war ich auch dort. Heut abend geh ich wieder hin. Und am Dienstag war ich ebenfalls dort. Warum? Behauptet Vi vielleicht was anderes?«
    »Sie behauptet, daß Sie ihr immer wieder Briefe geschickt haben. Sie behauptet, daß Sie ihr seit Monaten auflauern.«
    »Die hat vielleicht Nerven!« erklärte Shelly aufgebracht.
    »Wenn ich mich recht erinnere, leben wir hier in einem freien Land. Ich kann hingehen, wo ich will, und wenn sie zufällig auch dort ist, ist das ihr Pech. Mir persönlich ist das scheißegal.«
    »Auch wenn sie mit Nicola Maiden zusammen ist?«
    Shelly sagte nichts, inspizierte nur ihre Konfektschachtel auf der Suche nach einer weiteren Praline. Sie war mager wie ein Skelett unter ihrem Overall, und der unappetitliche Zustand ihrer Zähne verriet, wie das trotz Süßigkeitenkonsum möglich war.
    »Miststücke«, zischte sie schließlich. »Schmarotzerinnen, alle beide. Ich hätt’s viel früher merken müssen, aber ich hab gedacht, Freundschaft bedeutet manchen Leuten was. Da war ich schön aufm Holzweg. Ich hoffe, die müssen dafür büßen, wie sie mich behandelt haben.«
    »Nicola Maiden hat schon gebüßt«, sagte Lynley. »Sie ist am Dienstag abend ermordet worden. Kann jemand bezeugen, wo Sie am Dienstag abend zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht waren, Miss Platt?«
    »Ermordet?« Shelly setzte sich ruckartig auf. »Nikki Maiden ist ermordet worden? Wie denn? Wann? Ich hab ja keine – ermordet haben Sie gesagt? Scheiße. Mist. Ich muß Vi anrufen. Ich muß sofort Vi anrufen.« Sie sprang auf und lief zum Telefon, das neben dem Kocher auf der Kommode stand. Dort kochte inzwischen das Wasser, was Shelly einen Moment lang von ihrem hastigen Bemühungen, Vi Nevin anzurufen, ablenkte. Sie trug den Topf zum Becken und goß etwas Wasser in eine lavendelfarbene Tasse.
    »Sie ist wirklich ermordet worden?« sagte sie. »Und wie geht es ihr? Vi ist doch nichts passiert, oder? Es geht ihr doch gut?«
    »Ja, es geht ihr gut.« Die plötzliche Veränderung, die mit der jungen Frau vorgegangen war, machte Lynley neugierig, und er fragte sich, was das über sie aussagte und über den Fall.
    »Sie hat Sie gebeten, herzukommen und es mir zu sagen, stimmt’s? Ach, Scheiße. Die Ärmste.« Shelly öffnete einen Schrank über dem Waschbecken und entnahm ihm eine Dose Kaffee, ein Glas Kaffeeweißer und eine Tüte Zucker. Sie holte einen schmutzigen Löffel aus dem Glas mit dem Milchpulver heraus und benutzte ihn, um sich ihren Kaffee zuzubereiten, wobei sie nach jeder Zugabe kräftig umrührte und den Löffel kein einziges Mal säuberte und abtrocknete, bevor sie ihn ins nächste Behältnis tauchte. Am Ende war er mit einer unappetitlich aussehenden schmutzfarbenen Kruste überzogen. »Na, ja, immer mit der Ruhe«, sagte sie. Offenbar hatte sie die Zeit des Kaffeezubereitens genutzt, um über die Neuigkeiten nachzudenken, die Lynley mitgebracht hatte. »Also, ich düse jetzt bestimmt nicht gleich zu ihr, das fällt mir gar nicht ein. Sie hat mich total mies behandelt, und das weiß sie auch ganz genau, und deshalb kann sie gefälligst höflich fragen, wenn sie will, daß ich zu ihr zurückkomm. Aber es kann gut sein, daß sie da bei mir auf Granit beißt. Ich hab nämlich auch meinen Stolz.«
    Lynley fragte sich, ob sie seine frühere Frage überhaupt gehört hatte; ob sie begriff, was die Frage bedeutete: nicht nur im Hinblick auf ihren Platz im Rahmen der Ermittlungen über die Ermordung von Nicola Maiden, sondern auch hinsichtlich ihrer Beziehung zu Vi Nevin.
    »Die Tatsache, daß Sie Drohbriefe geschickt haben, macht Sie zur Verdächtigen, Miss Platt«, sagte er. »Das verstehen Sie doch, nicht wahr? Sie müssen uns also jemanden bringen, der Ihre Angaben darüber, wo Sie sich am Dienstag abend zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht aufgehalten haben, bestätigen kann.«
    »Aber Vi weiß genau, daß ich nie im Leben ...« Shelly runzelte die Stirn. Ein Funke der Erkenntnis war anscheinend bis in ihr Bewußtsein vorgedrungen. In ihrer Miene spiegelte sich, was in ihrem Kopf vorging: Wenn die Polizei jetzt hier in ihrer Wohnung stand und sie wegen Nikkis Ermordung in die

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