Undank Ist Der Väter Lohn.
direkt gesagt. Aber nehmen wir trotzdem einmal an, daß Reeve Nicola Maiden ermordet hat, weshalb hätte er solange damit warten sollen? Sie hat im April aufgehört, für ihn zu arbeiten. Jetzt haben wir September. Wie erklären Sie es sich, daß er fünf Monate gewartet hat, ehe er sich an ihr rächte?«
»Ich hab ihm ja nie gesagt, wo die beiden sind«, erklärte Shelly stolz. »Ich hab so getan, als hätt ich keine Ahnung. Ich mein, ich hab’s fair gefunden, ihn drüber aufzuklären, was sie vorhatten. Aber wenn er sich die beiden vorknöpfen wollte, dann sollte er gefälligst selbst nach ihnen suchen. Und das hat er getan. Da können Sie Gift drauf nehmen.«
19
Inspector Peter Hanken war gerade von seinem Gespräch mit Will Upman in die Dienststelle zurückgekehrt, als die Meldung kam, daß eine zehnjähriger Junge namens Theodor Webster, der an der Straße zwischen Peak Forest und Lane Head in einem Streugutkasten gespielt hatte, dort im Sand vergraben ein Messer gefunden hatte. Es handelte sich um ein Taschenmesser ansehnlicher Größe mit mehreren Klingen und diversen anderen Zubehörteilen, kurz, um ein Messer, wie es von Campern und Wanderern benutzt wurde. Der Junge hätte es vielleicht zum eigenen Gebrauch behalten und kein Wort davon gesagt – so meinte jedenfalls sein Vater –, hätte er es geschafft, das Messer ohne Hilfe zu öffnen. Da aber alle seine Bemühungen vergeblich gewesen waren, war er schließlich zu seinem Vater gegangen, um sich helfen zu lassen, überzeugt, daß ein paar Tropfen Öl genügen würden, das Problem zu beheben. Sein Vater hatte jedoch gleich das verkrustete Blut gesehen, das in sämtlichen Ritzen und Spalten saß und ein Aufklappen des Messers unmöglich machte, und hatte sich an den Bericht über die Morde im Calder Moor erinnert, den der High Peak Curier auf seiner ersten Seite gebracht hatte. Daraufhin hatte er sofort die Polizei angerufen. Es handle sich vielleicht nicht um das Messer, mit dem eines der Opfer im Calder Moor verletzt worden war, hörte Hanken über sein Handy von der Beamtin, die den Anruf angenommen hatte, aber vielleicht wolle der Inspector ja einen Blick darauf werfen, bevor es ins Labor weitergeschickt würde. Hanken erklärte, er würde das Messer persönlich ins Labor bringen, setzte sich sofort in den Wagen und fuhr zunächst auf der A623 nach Norden und dann von Sparrowpit weiter Richtung Südosten. Diese Route durchschnitt das Calder Moor und führte in einem Fünfundvierziggradwinkel von seinem Nordwestrand weg, jenem Teil, der von der Straße begrenzt wurde, an der Nicola Maidens Wagen gestanden hatte.
Am Fundort angekommen, hatte sich Hanken zunächst den Streugutkasten gründlich angesehen, im dem die Waffe versteckt gewesen war. Er vermerkte die Tatsache, daß der Mörder – nachdem er das Messer dort deponiert hatte – zu einer knapp acht Kilometer entfernten Kreuzung hätte weiterfahren können, um von dort aus entweder den nordöstlichen Weg zur Padleyschlucht zu nehmen oder nach Süden Richtung Bakewell und Broughton Manor zu fahren, das nur drei Kilometer entfernt war. Nachdem Hanken sich mit einem raschen Blick auf die Karte vergewissert hatte, daß seine Vermutungen richtig waren, war er zum Haus der Websters weitergefahren und hatte sich dort das Messer zeigen lassen.
Jetzt lag es in einem Plastikbeutel auf dem Sitz neben ihm im Wagen, in der Tat ein Schweizer Armeemesser. Das Labor würde alle notwendigen Untersuchungen durchführen, um festzustellen, ob das Blut an den Klingen und dem Gehäuse von Terry Cole stammte. Vor diesen Tests würde aber vielleicht ein anderer, weniger wissenschaftlicher Identifizierungsversuch den Ermittlern wertvolle Informationen liefern.
Hanken traf Andy Maiden am Fuß der Auffahrt an, die nach Maiden Hall hinaufführte. Der ehemalige SO10-Beamte war offenbar gerade dabei, ein neues Hinweisschild für Hotel und Restaurant aufzustellen. Er war umgeben von allerlei Werkzeugen und Arbeitsgeräten, einem Schubkarren, einem Spaten, einer kleinen Betonmischmaschine, Kabeln und einem beeindruckenden Set von Scheinwerfern. Das alte Schild war bereits abmontiert und lag unter einer Linde. Das neue – handgeschnitzt und handbeschriftet – wartete nicht weit entfernt darauf, an einem stämmigen Pfosten aus Eiche und Schmiedeeisen befestigt zu werden.
Hanken parkte am Straßenrand und beobachtete Maiden, der mit soviel verbissener Energie arbeitete, als müßte das Schild in Rekordzeit montiert
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