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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Erde durchkam. Im niedrigwachsenden Gestrüpp zu beiden Seiten wucherten Heidelbeersträucher, und die letzten violetten Blüten des Knabenkrauts verströmten ihren charakteristischen Katzengeruch. Hier, in den Bäumen, suchte Phoebe nach Benbow, folgte widerstrebend dem Pfad, der sie immer näher an die alten Steine heranführte. Die Stille war beklemmend, wie eine stumme, aber vielsagende Vorbotin.
    Endlich, als sie fast die Einfassung des Steinkreises erreicht hatte, hörte sie den Hund wieder. Er bellte irgendwo, dann verfiel er in Töne, die halb Winseln, halb Knurren waren und seine Furcht verrieten.
    Besorgt, daß er auf einen Wanderer gestoßen sein könnte, der von seinen Annäherungsversuchen nicht erbaut war, eilte Phoebe, dem Geräusch folgend, zwischen den restlichen Bäumen hindurch in den Steinkreis. Das erste, was ihr ins Auge fiel, war ein leuchtendblaues Häufchen am Fuß eines der aufrecht stehenden Monolithen. Und dieses Häufchen kläffte Benbow an und wich dann mit aufgestellten Nackenhaaren und flach angelegten Ohren vor ihm zurück.
    »Was ist denn das?« rief Phoebe. »Was hast du da gefunden, Benbow?« Nervös wischte sie sich die Hände an ihrem Rock und blickte umher. Die Antwort auf ihre Frage erübrigte sich. Der Hund hatte ein Chaos vorgefunden. Die Mitte des Steinkreises war übersät mit weißen Federn, und überall flogen die verstreuten Sachen irgendwelcher achtloser Camper herum: ein Zelt, Kochgeschirr und ein geöffneter Rucksack, dessen Inhalt auf dem Boden herumlag.
    Phoebe lief zwischen all diesem Müll hindurch zu ihrem Hund. Die Atmosphäre hier war ihr unheimlich. Sie wollte Benbow schnellstens wieder an die Leine nehmen und verschwinden.
    »Benbow!« rief sie. »Komm her.«
    Der Hund kläffte noch lauter. Es war ein Kläffen, wie sie es noch nie vorher von ihm gehört hatte. Offensichtlich war es das blaue Häufchen, das ihn so erregte. Von ihm stammten die weißen Federn, die die Lichtung bedeckten wie die Flügel gemordeter Schmetterlinge.
    Sie sah, daß es ein Schlafsack war, und als sie ihn mit der Schuhspitze anstieß, quollen aus dem langen Schlitz in der Nylonhülle noch ein paar Federn. Fast die ganze Daunenfüllung war entwichen, und was zurückgeblieben war, glich eher einer Plane. Der Reißverschluß des Schlafsacks war ganz geöffnet, und unter dem Stoff verbarg sich offensichtlich etwas, das dem Hund angst machte.
    Phoebe zitterten die Knie, aber sie zwang sich, es zu tun: Sie hob die Decke hoch. Benbow sprang zurück, so daß ihr Blick ungehindert auf das Grauen fiel, das der Schlafsack verhüllt hatte.
    Blut. Soviel Blut wie sie nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Es war nicht mehr richtig rot, offensichtlich war es schon seit mehreren Stunden der Luft ausgesetzt. Aber Phoebe brauchte die Farbe nicht, um zu wissen, was sie vor sich hatte.
    »O mein Gott!« Sie war zu Tode erschrocken.
    Sie war dem Tod schon in vielerlei Gestalt begegnet, aber keine war so scheußlich gewesen wie diese. Zu ihren Füßen lag, wie ein Fötus zusammengerollt, ein junger Mann, vollständig schwarz gekleidet, schwarz auch das runzlig verbrannte Fleisch seiner einen Gesichtshälfte. Auch sein Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war, und der kleine Spitzbart waren schwarz. Schwarz waren die Fingernägel. Er trug einen Onyxring und einen schwarzen Ohrring. Nichts als Schwarz, bis auf das Blau des Schlafsacks und das dunkle Rot des Bluts. Und das war überall: auf dem Boden unter dem Jungen, in seinen Kleidern, rund um zahllose Wunden an seinem Körper.
    Phoebe ließ den Schlafsack fallen und trat von dem Toten zurück. Ihr war heiß und kalt zugleich. Sie war nahe daran, ohnmächtig zu werden. Sie ärgerte sich über ihren Mangel an Rückgrat. »Benbow?« rief sie und hörte den Hund bellen. Er hatte die ganze Zeit gebellt, aber der Schock hatte vier ihrer Sinne betäubt und den fünften – ihr Auge – bis zur Unerträglichkeit geschärft.
    Sie nahm den Hund kurzerhand auf den Arm und floh stolpernd vor dem Grauen.
    Das Wetter war völlig umgeschlagen, als die Polizei eintraf. In den Peaks kam es öfter vor, daß ein sonniger Tag bei strahlendblauem Himmel plötzlich in grauem Nebel unterging. Der Dunst wälzte sich über den fernen Kamm des Kinder Scout und kroch aus Nordwesten kommend über die Hochmoore. Als die Polizei aus Buxton den Tatort absperrte, senkten sich die Nebelschwaden über die Männer wie Geister, die herabstiegen, um diesen Ort heimzusuchen.
    Bevor

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