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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Motorrad.«
    »Vielleicht jemand, der einen Tagesausflug gemacht hat«, meinte Julian.
    »Um diese Zeit?« Andy schüttelte den Kopf. »Es war naß vom Tau. Wie Nicolas Wagen. Es steht genausolange da.«
    Nan sagte schnell: »Dann ist sie nicht allein losgezogen, sondern hat sich am Moor mit jemandem getroffen?«
    »Oder ihr ist jemand gefolgt«, warf Julian beklommen ein.
    »Ich rufe jetzt die Polizei an«, sagte Andy. »Jetzt werden sie gewiß die Bergrettung zuziehen.«
    Wenn ein Patient starb, suchte Phoebe Neill Trost in der Natur. Das tat sie immer. Und im allgemeinen tat sie es allein. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens allein verbracht und fürchtete die Einsamkeit nicht. Und in der Synthese von Einsamkeit und Natur fand sie Tröstung. Nichts stand dann zwischen ihr und dem Schöpfer. Draußen unter dem freien Himmel konnte sie sich mit dem Tod eines anderen Menschen und dem Willen Gottes aussöhnen. Sie wußte, daß der Körper, in dem wir wohnen, nur eine Hülle ist, an die wir eine Zeitlang gebunden sind, ehe wir zur nächsten Phase unserer Entwicklung in die geistige Welt eintreten.
    An diesem Morgen jedoch war es anders. Gewiß, am Abend zuvor war ein Patient gestorben. Gewiß, auch diesmal suchte Phoebe Neill Trost in der Natur. Aber diesmal war sie nicht allein. Sie hatte einen Hund mit, einen Mischling zweifelhafter Abstammung. Das Tier hatte dem jungen Mann gehört, dessen Leben gerade zu Ende gegangen war.
    Sie selbst hatte Stephen Fairbrook im letzten Jahr seiner Krankheit dazu überredet, sich einen Hund als Gefährten anzuschaffen. Und als offenkundig geworden war, daß Stephens Lebensende näherrückte, wußte sie, daß sie ihm helfen konnte, wenn sie ihn wegen des Hundes beruhigte. »Stevie, ich nehme Benbow zu mir, wenn es soweit ist«, hatte sie ihm eines Morgens gesagt, als sie seinen knochigen Körper gewaschen und mit einer Lotion eingerieben hatte. »Sie brauchen sich seinetwegen keine Sorgen zu machen. In Ordnung?«
    Du kannst jetzt sterben, waren die eigentlichen Worte dahinter, aber sie blieben unausgesprochen. Nicht weil die Wörter sterben oder Tod im Beisein Stephen Fairbrooks tabu waren; sie waren ihm altvertraute Gefährten, seit er von seiner Krankheit in Kenntnis gesetzt worden war. Er hatte zahllose Behandlungen über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, doch noch eine Heilung zu erleben. Er hatte zugesehen, wie er immer mehr abmagerte, wie ihm die Haare ausfielen und sich überall auf seiner Haut Flecken bildeten, die in offene Wunden ausbrachen. Man brauchte ihm diese Worte nicht mehr erklären.
    Am letzten Lebenstag seines Herrn hatte Benbow, der Hund, gewußt, daß es mit Stephen zu Ende ging. Stunde um Stunde lag das Tier ruhig an seiner Seite, bewegte sich nur, wenn Stephen sich bewegte, hielt seine Schnauze in Stephens Hand gedrückt bis zum letzten Moment. Der Hund hatte noch vor Phoebe gewußt, daß Stephen tot war. Er war winselnd aufgestanden, hatte einmal aufgeheult und war still geblieben. Dann hatte er sich in seinen Korb verkrochen, bis Phoebe ihn zu sich geholt hatte.
    Als Phoebe jetzt den Wagen in einer Parkbucht an einer Feldmauer anhielt und nach der Leine griff, stellte sich der Hund auf die Hinterbeine und wedelte freudig mit dem buschigen Schwanz. Er bellte einmal laut, und Phoebe lächelte. »Ja. Ein Spaziergang wird uns beiden gut tun, du Racker.«
    Sie stieg aus, und Benbow folgte. Behende sprang er aus dem Vauxhall und begann sofort zu schnüffeln, die Nase dicht am sandigen Boden. Er zog Phoebe direkt zu der Trockenmauer und lief schnüffelnd an ihr entlang bis zu dem Zauntritt, den man übersteigen mußte, um auf das Moor zu gelangen. Mit Schwung übersprang er ihn, blieb drüben stehen und schüttelte sich kräftig. Er spitzte die Ohren und neigte den Kopf schräg zur Seite, kläffte ein paarmal kräftig, um Phoebe wissen zu lassen, daß ihm nach gründlichem Auslauf und nicht nach einem braven Spaziergang an der Leine zumute war.
    »Das geht nicht, Benbow«, sagte Phoebe. »Erst müssen wir uns hier mal umschauen und sehen, wo wir hier überhaupt sind.« Sie war eine sehr vorsichtige und übermäßig fürsorgliche Person. Für die Bettlägerigen und Sterbenden, die sie zu betreuen hatte, war das gut, besonders für jene, die äußerste Wachsamkeit von Pfleger oder Pflegerin verlangten. Aber Kinder oder Haustiere machte diese ständige, Fürsorge entweder zu Angsthasen oder zu Rebellen. Das hatte Phoebe rein intuitiv immer gewußt, deshalb

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