Undank Ist Der Väter Lohn.
derzeit Funkstille. Ich bin im Moment nur der Laufbursche. Er hat mir aufgetragen, Ihnen den Bericht zu bringen. Ich hab brav geknickst und den Befehl ausgeführt.«
St. James blickte auf. »Immer noch schlechte Stimmung? Aber Helen hat mir doch gesagt, daß Sie an der Aufklärung dieses Falls mitarbeiten.«
»Nur am Rande«, sagte sie.
»Er wird sich schon wieder einkriegen.«
»Das tut Tommy immer«, fügte Deborah hinzu. Mann und Frau tauschten einen Blick. Deborah sagte mit einem gewissen Unbehagen: »Na ja, du weißt schon.«
»Ja«, antwortete St. James nach einem kurzem Schweigen mit einem liebevollen Lächeln. Dann wandte er sich Barbara zu. »Ich werde mir den Bericht ansehen, Barbara. Ich nehme an, ich soll ihn auf Ungereimtheiten und Diskrepanzen prüfen. Das Übliche eben. Richten Sie ihm aus, daß ich ihn anrufen werde.«
»In Ordnung«, sagte sie und fügte dann vorsichtig hinzu: »Sagen Sie, Simon ...«
»Hm?«
»Könnten Sie mich auch anrufen? Ich meine, wenn Sie was finden sollten.« Als er nicht sofort antwortete, fügte sie hastig hinzu:
»Ich weiß, das ist vorschriftswidrig. Und ich will Sie auch weiß Gott nicht in die Bredouille bringen. Aber der Inspector läßt mich ziemlich in der Luft hängen, und wenn ich einen Vorschlag mache, heißt es immer nur: ›Marsch, zurück an den Computer, Constable.‹ Aber wenn Sie bereit wären, mich auf dem laufenden zu halten ... ich meine, ich weiß, er würde sauer werden, wenn er es erführe, aber ich schwöre Ihnen, ich würde ihm nie verraten, daß Sie –«
»Gut, ich rufe Sie auch an«, unterbrach St. James sie. »Aber es ist fraglich, ob ich überhaupt etwas entdecken werde. Ich kenne Sue Myles. Sie ist ausgesprochen gründlich. Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, warum ich mir ihre Arbeit überhaupt noch einmal ansehen soll.«
Mir auch nicht, hätte Barbara gern gesagt. Doch sein Versprechen, sich bei ihr zu melden, war ermutigend, und so beschloß sie den Tag in weitaus besserer Stimmung, als sie ihn begonnen hatte.
Erst als sie Hadiyyahs Zettel sah, bekam ihre gute Laune einen kleinen Dämpfer. Das kleine Mädchen war praktisch mutterlos – zumindest war die Mutter nicht anwesend und würde sich voraussichtlich auch nicht so bald wieder blicken lassen –, und wenn Barbara auch keinerlei Ambitionen hatte, ihm die Mutter zu ersetzen, so fühlte sie sich Hadiyyah doch als Freundin verpflichtet. Hadiyyah hatte gehofft, daß Barbara sie an diesem Nachmittag in ihrer Nähstunde besuchen würde. Und Barbara hatte sie enttäuscht. Das war kein gutes Gefühl.
Nachdem sie also ihre Tasche auf den Allzwecktisch geworfen und ihren Anrufbeantworter abgehört hatte – einen Bericht Mrs. Flos über den Zustand ihrer Mutter, einen Bericht ihrer Mutter über eine Reise nach Jamaica, Hadiyyahs aufgeregte Meldung, daß sie ihr einen Zettel an die Tür geklebt hatte und ob sie ihn gefunden hätte? –, ging sie durch den Garten zu dem großen edwardianischen Haus. Die Terrassentür im Erdgeschoß stand offen, und aus dem Wohnzimmer dahinter war die Stimme eines Kindes zu hören, das gerade energisch erklärte: »Aber sie passen wirklich nicht, Dad. Ehrlich.«
Hadiyyah saß auf einem dicken runden Sitzkissen, und Taymullah Azhar kniete vor ihr wie ein liebeskranker Romeo. Gegenstand der Aufmerksamkeit der beiden waren die Schuhe, die Hadiyyah trug, schwarze Schnürschuhe, die zu einer Schuluniform gehörten. Hadiyyah wand und krümmte ihre Füße in dem Schuhwerk, als wäre es ein neues Folterinstrument, um Spione zum Singen zu bringen.
»Meine Zehen sind total zusammengequetscht. Und die Knöchel tun weh.«
»Und du bist sicher, daß dieser Schmerz nichts mit dem Wunsch zu tun hat, die neueste Mode mitzumachen, khushi?«
»Dad!« beschwerte sich Hadiyyah mit Märtyrerinnenstimme.
»Bitte! Das sind doch Schulschuhe.«
»Und wie wir beide aus unserer Erinnerung wissen«, sagte Barbara von der Terrasse her, »sind Schulschuhe nie cool, Azhar. Sie verstoßen immer gegen das modische Diktat. Deswegen sind es ja Schulschuhe.«
Vater und Tochter blickten auf. Hadiyyah rief sofort: »Barbara! Ich hab dir einen Zettel an die Tür geklebt. Hast du ihn gekriegt? Ich hab ihn extra mit Tesafilm angeklebt.« Azhar lehnte sich auf seine Fersen zurück, um die Schuhe seiner Tochter sachlich in Augenschein zu nehmen.
»Sie behauptet, sie passen nicht mehr«, teilte er Barbara mit. »Ich bin nicht so ganz davon überzeugt.«
»Aha, da muß ein salomonisches
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