Undank Ist Der Väter Lohn.
Urteil her«, sagte Barbara. »Darf ich ...?«
»Natürlich, kommen Sie herein.« Förmlich wie immer stand Azhar auf und begrüßte sie mit einer Geste des Willkommens.
Im Zimmer duftete es verlockend nach Curry. Barbara sah, daß der Tisch zum Abendessen gedeckt war, und sagte schnell: »Oh! tut mir leid. Ich habe gar nicht auf die Zeit geachtet, Azhar. Sie haben noch nicht gegessen, und – soll ich später noch mal wiederkommen? Ich habe eben Hadiyyahs Zettel gefunden und dachte, ich würde auf einen Sprung rüberkommen. Sie wissen schon, die Nähstunde heute nachmittag. Ich hatte ihr versprochen ...« Sie klappte den Mund zu. Genug, dachte sie.
Er lächelte. »Möchten Sie nicht mit uns essen?«
»Um Himmels willen, nein. Ich meine, ich hab zwar noch nicht gegessen, aber ich möchte auf keinen Fall –«
»Du mußt!« rief Hadiyyah strahlend. »Dad, sag ihr, daß sie mit uns essen muß. Es gibt Hühnchen tikka. Und Safranreis.
Und Dads Spezialcurry mit Gemüse, bei dem Mama immer weint, wenn sie’s ißt, weil es so scharf ist. Sie sagt immer: ›Hari, du machst es viel zu scharf‹, und die ganze Wimperntusche läuft ihr runter. Stimmt’s, Dad?«
Hari, dachte Barbara.
Azhar sagte: »Ja, das stimmt, khushi.« Und zu Barbara: »Wir würden uns freuen, wenn Sie zum Essen blieben, Barbara.« Ich sollte besser abhauen und mich verstecken, dachte sie, sagte jedoch:
»Vielen Dank, dann bleibe ich gern.«
Hadiyyah jauchzte und drehte in ihren angeblich zu kleinen Schuhen eine Pirouette. Ihr Vater sah ihr zu und meinte vielsagend: »Aha. Mit deinen Füßen ist es ja wohl doch nicht –«
»Ich werd mir das mal ansehen«, schaltete sich Barbara rasch ein.
Hadiyyah ließ sich auf das Sitzkissen fallen und erklärte: »Sie kneifen ganz fürchterlich. Eben auch, Dad. Wirklich.«
Azhar lachte und verschwand in der Küche. »Barbara wird entscheiden«, sagte er zu seiner Tochter.
»Sie kneifen wirklich ganz schrecklich«, beteuerte Hadiyyah.
»Da, fühl mal, wie meine Zehen vorn zusammengedrückt sind.«
»Ich weiß nicht recht, Hadiyyah«, meinte Barbara, während sie prüfend auf die Schuhspitzen drückte. »Wie sehen denn die anderen Schuhe aus, die du haben möchtest? Genauso?«
Das kleine Mädchen antwortete nicht. Barbara blickte auf. Hadiyyah kaute auf ihrer Unterlippe.
»Na?« fragte Barbara. »Hadiyyah, darf man denn jetzt auch andere Schuhe zur Uniform tragen?«
»Die hier sind so grottenhäßlich«, flüsterte sie. »Als hätte ich Kähne an den Füßen. Die neuen Schuhe sind Slipper, Barbara. Und Obenrum haben sie so eine geflochtene Lederkordel und dann zwei ganz süße Troddeln, die über die Zehen runterhängen. Sie sind ein bißchen teuer, darum haben auch nicht alle solche Schuhe, aber ich weiß genau, daß ich sie ewig tragen kann, wenn ich sie kriege. Wirklich.«
Mit großen flehenden Augen sah sie Barbara an, und diese fragte sich, wie Azhar es schaffte, seiner Tochter irgend etwas zu verwehren. »Wärst du zu einem Kompromiß bereit?« fragte sie, um ihrer Position als Schiedsrichterin gerecht zu werden.
Hadiyyah zog die Brauen zusammen. »Was ist ein Kompromiß?«
»Eine Vereinbarung, bei der beide Parteien bekommen, was sie wollen, nur nicht ganz genauso, wie sie es sich vorgestellt hatten.«
Hadiyyah trommelte mit den Füßen in den soliden Schnürschuhen gegen das Sitzkissen, während sie sich das durch den Kopf gehen ließ. »Also gut«, meinte sie schließlich. »Ich bin einverstanden. Aber die Schuhe sind wirklich ganz toll, Barbara. Wenn du sie sehen würdest, würdest du mich verstehen.«
»Zweifellos«, meinte Barbara. »Dir ist sicher schon aufgefallen, wie topmodisch ich bin.« Sie richtete sich auf. Hadiyyah zuzwinkernd rief sie in die Küche: »Meiner Ansicht nach kann sie diese Schuhe noch ein paar Monate tragen, Azhar.«
Hadiyyah war niedergeschmettert. »Ein paar Monate?« jammerte sie.
»Aber bis spätestens zum Guy-Fawkes-Tag braucht sie auf jeden Fall ein neues Paar«, fuhr Barbara fort. Lautlos sagte sie zu Hadiyyah gewandt »Kompromiß«, und sah, wie die Kleine im Kopf die Wochen von Anfang September bis Anfang November zählte. Hadiyyahs Gesicht leuchtete auf, als sie das Ergebnis errechnet hatte.
Azhar kam an die Küchentür. Anstelle einer Schürze hatte er sich ein Geschirrtuch in den Hosenbund gestopft. In der Hand hielt er einen Holzlöffel. »So exakt können Sie das sagen, Barbara?« erkundigte er sich trocken.
»Tja, manchmal bin ich selbst
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