Undank Ist Der Väter Lohn.
nehmen.«
»Ach, und das tust du wohl gerade? Nimmst mein Schicksal in die Hand, wie?«
Jeremy Britton schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, was ich für ein egoistischer Kerl bin. Ich nehm mein eigenes Schicksal in die Hand.« Er schwenkte die Broschüren. »Ich möchte trocken werden. Es ist an der Zeit. Ich will es. Aber eines weiß ich, und Gott weiß es auch: allein schaffe ich es nicht.«
Julian kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, wie gern er andere manipulierte. Warnlichter blinkten in seinem Kopf.
»Dad, ich weiß, daß du vom Alkohol weg möchtest. Ich bewundere dich dafür. Aber diese Entzugskuren ... die kosten ...«
»Du kannst das doch für mich tun. Du kannst es, weil du weißt, daß ich das gleiche für dich tun würde.«
»Es ist ja auch nicht so, als ob ich es nicht tun wollte. Aber wir haben ganz einfach nicht das Geld. Ich habe immer wieder die Bücher durchgesehen, und das Geld reicht einfach nicht. Hast du mal dran gedacht, Tante Sophie anzurufen? Wenn sie wüßte, was du mit dem Geld vorhast, würde sie es dir sicher leihen, damit du –«
»Leihen? Pah!« Jeremy tat den Gedanken mit einer brüsken Handbewegung ab. »Darauf wird sich deine Tante nie einlassen.
Ich weiß genau, wie sie denkt. ›Der hört auf, wenn er aufhören will.‹ Sie wird keinen Finger rühren, um mir zu helfen.«
»Und wenn ich sie anrufen würde?«
»Wer bist du denn schon für sie, Julie? Irgendein Verwandter, den sie nie gesehen hat und dem es plötzlich einfällt, sie um Geld anzubetteln, das ihr Mann mit harter Arbeit verdient hat. Nein. Du kannst das nicht tun.«
»Und wie war’s, wenn du mal mit Sam redest?«
Auch diesen Vorschlag verwarf Jeremy. »Das kann ich nicht von ihr verlangen. Sie hat uns sowieso schon so viel gegeben. Ihre Zeit. Ihre Kraft. Ihre Anteilnahme. Ihre Liebe. Mehr kann ich weiß Gott nicht verlangen, und ich werd’s auch nicht tun.« Mit einem tiefen Seufzer schob er die Broschüre wieder in seine Tasche. »Ach, lassen wir’s einfach. Ich schaffe das schon irgendwie.«
»Aber ich könnte Sam doch bitten, mit Tante Sophie zu sprechen. Ich könnte ihr alles erklären.«
»Nein. Vergiß es. Ich werde eben in den sauren Apfel beißen. Es wär ja nicht das erste Mal ...«
Nein, weiß Gott nicht, dachte Julian. Das ganze Leben seines Vaters war eine einzige Folge gebrochener Versprechen und guter Vorsätze, die zu nichts geführt hatten. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie oft er es schon erlebt hatte, daß Jeremy dem Alkohol feierlich abgeschworen hatte. Und genausooft hatte er mit ansehen müssen, wie sein Vater zur Flasche zurückgekehrt war. Was er gesagt hatte, war schon richtig. Wenn er dieses Mal den Dämon besiegen wollte, konnte er nicht allein in die Schlacht ziehen.
»Paß auf, Dad, ich rede auf jeden Fall mal mit Sam. Ich möchte es.«
»Du möchtest es?« wiederholte Jeremy. »Wirklich? Du fühlst dich nicht nur dazu verpflichtet, weil du meinst, deinem alten Vater was zu schulden?«
»Nein. Ich möchte es. Ich werde sie fragen.«
Jeremy sah beschämt aus. Ihm traten tatsächlich die Tränen in die Augen. »Sie liebt dich, Julie. So eine großartige Frau, und sie liebt dich, mein Junge.«
»Ich werde mit ihr sprechen, Dad.«
Es regnete immer noch, als Lynley in die Auffahrt nach Maiden Hall einbog.
Barbara Havers hatte es tatsächlich geschafft, ihn ein paar Minuten von dem inneren Aufruhr abzulenken, der ihn quälte, seit er von Andy Maidens Besuch in London gehört hatte. Ja, eine Zeitlang hatte er die Geschichte sogar vollkommen vergessen, weil er über Barbaras eigenmächtiges Vorgehen so aufgebracht gewesen war, daß auch Helens vorsichtiger Versuch, eine Rechtfertigung für Barbaras Verhalten zu finden, ihn nicht hatte besänftigen können.
»Vielleicht hat sie deine Anweisungen ganz einfach mißverstanden, Tommy«, hatte sie gesagt, nachdem Barbara gegangen war. »Im Eifer des Gefechts hat sie vielleicht angenommen, du wolltest sie bei der Durchsuchung in Notting Hill gar nicht dabeihaben.«
»Herrgott noch mal«, hatte er hitzig erwidert, »verteidige sie nicht auch noch, Helen. Du hast selbst gehört, was sie gesagt hat. Sie wußte genau, was sie zu tun hatte, und sie hat das ganz bewußt nicht getan. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen.«
»Aber du magst doch Leute mit Eigeninitiative. Jedenfalls war das bis jetzt so. Du hast mir immer erzählt, daß Winstons Mut, die Initiative zu ergreifen, zu seinen besten –«
»Verdammt noch
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