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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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warteten nicht nur die Hotelgäste auf ihr Mittagessen, sondern auch Ausflügler, die das Restaurantschild an der Straße gesehen hatten und in der Hoffnung auf ein schmackhaftes Mittagsmahl der gewundenen Auffahrt zum Haus gefolgt waren. Die Bedienungen kannten sich in der Küche nicht aus, und das Hauswirtschaftspersonal hatte mit den Gästezimmern und Aufenthaltsräumen genug zu tun. Julian und seine Helferin aus Grindleford mußten sich also um all die Dinge kümmern, die Andy und Nan Maiden sonst selbst besorgten: Sandwiches, Suppe, frisches Obst, Räucherlachs, Pâté, Salate ... Julian war innerhalb von fünf Minuten klar, daß er hier keinen Fuß auf den Boden bekommen würde, aber erst als ihm eine ganze Platte Räucherlachs zu Boden fiel und ihm daraufhin jemand den Vorschlag machte, Christian-Louis anzurufen, ging ihm auf, daß es noch eine Alternative zu dem Versuch gab, das Schiff ganz allein zu steuern.
    Christian-Louis stürmte mit einem unverständlichen französischen Wortschwall in die Küche und warf ohne viel Federlesens alle hinaus. Eine Viertelstunde später kam Andy Maiden.
    »Wo ist Nan?« fragte er Julian. Sein Gesicht war grau.
    »Oben«, antwortete Julian. Er versuchte, die Antwort in Andys Gesicht zu lesen, noch bevor er die Frage stellte. Dann fragte er dennoch. »Und?«
    Statt einer Antwort wandte Andy sich ab und stieg schweren Schrittes die Treppe hinauf. Julian folgte ihm.
    Er ging nicht gleich ins Schlafzimmer, sondern betrat den kleinen Raum nebenan, der zu einem Arbeitszimmer ausgebaut worden war. Dort setzte er sich an einen alten Mahagonisekretär und klappte ihn auf. Er war gerade dabei, eine Schriftrolle aus einem der drei Fächer zu nehmen, als Nan hereinkam.
    Niemand hatte sie dazu überreden können, sich zu waschen oder umzuziehen; ihre Hände waren schmutzig, die Knie ihrer langen Hose mit Erde verkrustet. Ihr Haar war so zerrauft, als hätte sie versucht, es sich büschelweise auszureißen.
    »Was war?« sagte sie. »Sag es mir, Andy. Was ist passiert?«
    Andy breitete die Schriftrolle auf der Schreibunterlage des Sekretärs aus und beschwerte das obere Ende mit einer Bibel. Auf den unteren Rand legte er seinen linken Arm, damit sich das Blatt nicht wieder zusammenrollen konnte.
    »Andy?« drängte Nan erneut. »Sprich mit mir. Sag etwas.«
    Er griff nach einem Radiergummi, ein Stummel nur noch, geschwärzt von Graphitresten. Er beugte sich über die Schriftrolle. Und als er sich bewegte, konnte Julian sehen, was es mit dem Dokument auf sich hatte.
    Es war ein Stammbaum. Ganz oben standen in Druckschrift die Namen Maiden und Llewelyn und die Jahreszahl 1722. Fast ganz unten standen die Namen Andrew, Josephine, Mark und Philip, verbunden mit den Namen ihrer Ehepartner. Darunter waren die Kinder aufgeführt. Unter Andrews und Nancys Namen stand nur ein einziger anderer, doch daneben war Platz gelassen für Nicolas zukünftigen Ehemann; und die drei kurzen Bleistiftlinien, die unter Nicolas Namen abzweigten, verrieten, was Andy sich für die Zukunft erhofft hatte.
    Andy räusperte sich. Einen Moment lang schien er den Stammbaum vor sich zu betrachten. Vielleicht ließ er sich aber auch nur einen Moment Zeit, um seinen ganzen Mut zusammenzunehmen. Gleich darauf nämlich begann er, die allzu optimistischen Hinweise auf eine zukünftige Generation auszuradieren. Und nachdem er das getan hatte, griff er zu einer feinen Feder, tauchte sie in ein Tintenfaß und schrieb etwas unter den Namen seiner Tochter. In eine sauber ausgeführte eckige Klammer setzte er ein Kreuz und dahinter das Jahr.
    Nan begann zu weinen.
Julian hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. »Ein Schädelbruch«, war alles, was Andy sagte. Inspector Peter Hanken von der Kriminalpolizei Buxton war wenig begeistert, als sein Chef ihm mitteilte, daß New Scotland Yard ein Team zur Unterstützung bei den Ermittlungen über die Morde im Calder Moor heraufschicken würde. Im Peak District geboren und aufgewachsen, betrachtete er jeden, der aus Gegenden südlich der Pennine-Kette oder nördlich des Deer- Hill-Stausees kam, mit angeborenem Mißtrauen und hegte außerdem als ältester Sohn eines Steinhauers aus Wirksworth eine instinktive Abneigung gegen all jene, die er nach dem Diktat dieser klassenbewußten Gesellschaft als sozial höhergestellt zu betrachten hatte. Daher begegnete er den beiden Beamten von New Scotland Yard von vornherein mit Feindseligkeit.
    Der eine war ein Inspector namens Lynley,

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