Undank Ist Der Väter Lohn.
sagte er. »Ich bleibe. Ich möchte auf jeden Fall mit Andy Maiden sprechen.«
Nkata schien überrascht. »Sie wollen nicht selbst nach London fahren? Also, wenn ich so gute Gründe hätte, nach Hause zu fahren, wie Sie, müßte man mir schon einen Haufen Geld dafür zahlen, daß ich bleibe.«
Hanken sah von einem zum anderen und bemerkte, daß Lynley leicht errötete. Das erstaunte ihn. Bis zu diesem Moment hatte der Mann völlig unerschütterlich gewirkt.
»Ach, ich denke, Helen kommt auch ein paar Tage ohne mich aus«, versetzte Lynley.
»Aber für eine frischgebackene junge Ehefrau ist das bestimmt nicht lustig«, entgegnete Nkata und erklärte Hanken: »Der Inspector hat nämlich erst vor drei Monaten geheiratet. Er kommt praktisch direkt aus den Flitterwochen.«
»Das reicht, Winston«, sagte Lynley.
»Frisch verheiratet«, meinte Hanken nickend. »Gratuliere.«
»Tja, ich weiß nicht, ob das im Moment so angebracht ist«, antwortete Lynley ziemlich rätselhaft.
Vierundzwanzig Stunden zuvor hätte er noch nicht so gesprochen. Da war er noch im siebten Himmel gewesen. Natürlich gab es in ihrem Zusammenleben etliche Ecken und Kanten, die erst noch abgeschliffen werden mußten, aber bisher hatten sich zwischen ihm und Helen keine Differenzen ergeben, die so einschneidend waren, daß sie nicht durch Gespräche und Kompromißbereitschaft hätten beigelegt werden können. Das heißt, bis die Sache mit Havers dahergekommen war.
In den Monaten seit ihrer Rückkehr aus den Flitterwochen hatte Helen sich aus den beruflichen Belangen ihres Mannes diskret herausgehalten, und als er von seinem einzigen Besuch bei Barbara Havers zurückgekehrt war und von den Hintergründen ihrer Suspendierung berichtet hatte, hatte sie nur gesagt:
»Tommy, da muß es eine Erklärung geben.« Danach hatte sie ihre Meinung über Barbaras Suspendierung strikt für sich behalten. Sie hatte telefonische Nachrichten von Havers und anderen, die die Lage der Dinge interessierte, getreulich weitergegeben, aber stets eine Neutralität bewahrt, die klar erkennen ließ, daß an ihrer Loyalität ihrem Mann gegenüber nicht zu rütteln war. Zumindest hatte Lynley die Sache so gesehen.
Seine Frau hatte ihm jedoch diese Illusion geraubt, als sie an diesem Nachmittag von den St. James’ nach Hause gekommen war. Er war gerade dabei gewesen, ein paar Sachen für seine Reise nach Derbyshire zu packen, Hemden, eine alte Barbourjacke, die er irgendwo herausgekramt hatte, und Wanderstiefel für das Moor, als Helen ins Zimmer getreten war. Ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen, eher vorsichtigen Art, ein heikles Thema anzusprechen, hatte sie den Stier kurzerhand bei den Hörnern gepackt und gefragt: »Tommy, warum nimmst du diesmal eigentlich Winston Nkata mit und nicht Barbara Havers?«
»Ach, du hast also mit Barbara gesprochen«, hatte er gesagt, worauf sie entgegnete: »Und sie hat dich praktisch noch verteidigt, obwohl ihr deine Entscheidung fast das Herz gebrochen hat.«
»Und soll ich mich jetzt auch noch verteidigen?« fragte er milde. »Barbara muß sich jetzt im Yard erst mal eine Weile im Hintergrund halten. Das ginge aber nicht, wenn ich sie nach Derbyshire mitnähme. Und da Barbara nicht verfügbar ist, habe ich mich logischerweise für Winston entschieden.«
»Aber Tommy, sie verehrt dich. Ach, schau mich nicht so an. Du weißt genau, was ich meine. In Barbaras Augen kannst du nichts falsch machen.«
Er legte das letzte Hemd in den Koffer, stopfte sein Rasierzeug zwischen die Socken, klappte den Deckel zu und legte seine Jacke darüber. Dann sah er Helen an. »Bist du als Vermittlerin hier?«
»Bitte sprich nicht in diesem gönnerhaften Ton mit mir, Tommy. Das hasse ich.«
Er seufzte. Er wollte sich mit seiner Frau nicht streiten und dachte flüchtig an die Kompromisse, die man einging, wenn man ein eigenes Leben mit dem eines anderen Menschen vereinte. Wir begegnen einander, sagte er sich, wir begehren, wir verfolgen und wir erreichen unser Ziel. Aber gibt es den Mann, dem es in der Hitze der Begierde dennoch gelingt, sich Gedanken darüber zu machen, ob er mit dem Objekt seiner Leidenschaft auf Dauer leben kann, bevor er es tatsächlich tut? Er bezweifelte es.
»Helen«, sagte er, »wenn man bedenkt, was Barbara alles vorgeworfen wurde, ist es direkt ein Wunder, daß sie überhaupt noch bei der Kripo ist. Webberly hat alle Hebel für sie in Bewegung gesetzt, und Gott allein weiß, was für Versprechungen oder Zugeständnisse er
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