Undank Ist Der Väter Lohn.
du ihn dir anschauen. Ach, komm doch.« Hadiyyah drehte sich einmal im Kreis und zog einen Ring von Seifenblasen um sich herum. Ihre langen dicken Zöpfe flogen, und die silbernen Schleifen, mit denen sie gebunden waren, glitzerten wie helle Libellen. »Die kleine Meerjungfrau ist so hübsch. Sie hat kastanienbraune Haare.«
»Das paßt bestimmt gut zu ihren Schuppen.«
»Und auf der Brust hat sie so süße kleine Muscheln.« Hadiyyah drückte ihre beiden kleinen dunklen Hände auf zwei nicht vorhandene Brüste.
»Aha! Strategisch plaziert«, sagte Barbara.
»Willst du dir den Film nicht mit uns ansehen? Bitte! Es gibt auch glasierte Äpfel«, fügte sie schmeichelnd hinzu.
»Hadiyyah«, sagte ihr Vater ruhig, »es reicht vollkommen, eine Einladung einmal auszusprechen.« Und zu Barbara: »Aber wir würden uns selbstverständlich freuen, wenn Sie uns Gesellschaft leisten würden.«
Barbara dachte über das Angebot nach. Ein Abend mit Hadiyyah und ihrem Vater bot Aussicht auf weitere Ablenkung, und das war verlockend. Sie könnte es sich Seite an Seite mit ihrer kleinen Freundin auf riesigen Sitzkissen bequem machen, den Kopf auf die Hand gestützt und die Füße in der Luft und sich im Rhythmus der Musik hin und her wiegen. Sie könnte anschließend, wenn Hadiyyah zu Bett geschickt worden war, noch eine Weile mit dem Vater ihrer kleinen Freundin schwatzen. Taymullah Azhar würde das erwarten. Es war ihnen während der Monate von Barbaras erzwungenem Urlaub von New Scotland Yard zur Gewohnheit geworden, sich hin und wieder miteinander zu unterhalten. Und besonders in den letzten Wochen hatte sich aus dem Austausch höflicher Banalitäten, wie unter relativ Fremden üblich, ein Dialog entwickelt, der eine Art vorsichtiges gesprächsweises Herantasten zweier Menschen war, die vielleicht Freunde werden konnten.
Aber genau da saß der Haken. Freundschaft hätte verlangt, daß Barbara von ihren Auseinandersetzungen mit Hillier und Lynley erzählte, daß sie die Wahrheit über ihre dienstliche Zurückstufung und ihr Zerwürfnis mit dem Mann, dem sie stets nachgeeifert hatte, sagte. Und da Azhars achtjährige Tochter das Kind war, dessen Leben Barbara durch ihr impulsives Handeln mitten in der Nordsee gerettet hatte – ein Vorfall, den sie Azhar bisher beharrlich verschwiegen hatte –, würde er sich an den beruflichen Konsequenzen, die ihr daraus entstanden waren, mitschuldig fühlen, obwohl dazu nicht der geringste Anlaß bestand.
»Hadiyyah«, sagte Taymullah Azhar, als Barbara nicht sogleich antwortete, »ich denke, für heute abend reicht es mit den Seifenblasen. Geh jetzt bitte in dein Zimmer und warte dort auf mich.«
Hadiyyah runzelte die Stirn und sah ihren Vater bestürzt an.
»Aber Dad, die kleine Meerjungfrau ...?«
»Die sehen wir uns schon noch an, Haddiyah. Aber bring jetzt die Seifenblasen in dein Zimmer.«
Sie warf Barbara einen bettelnden Blick zu. »Ich geb dir auch mehr als die Hälfte von meinem glasierten Apfel«, sagte sie, »wenn du willst, Barbara.«
»Hadiyyah!«
Sie lächelte wie ein kleiner Kobold und flitzte ins Haus.
Azhar griff in die Brusttasche seines blütenweißes Hemdes und zog eine Packung Zigaretten heraus, die er Barbara anbot. Sie griff dankend zu und ließ sich von ihm Feuer geben. Er beobachtete sie schweigend, bis sie so nervös wurde, daß sie einfach sprechen mußte.
»Ich bin total erledigt, Azhar. Sie müssen mich heute abend entschuldigen. Aber trotzdem vielen Dank. Sagen Sie Hadiyyah, daß ich mir den Film gern ein andermal mit ihr ansehe. Hoffentlich ist die Heldin nicht ein bleistiftdünnes Geschöpf mit Silikonbusen.«
Sein Blick blieb unverwandt auf ihr ruhen. Barbara hatte das Gefühl, sich unter diesem forschenden Blick winden zu müssen, aber es gelang ihr, sich zu beherrschen.
»Sie haben wohl heute wieder zu arbeiten angefangen«, sagte er.
»Wie kommen Sie –«
»Ihre Kleidung. Hat sich die –« Er suchte nach dem passenden Wort, einem beschönigendem zweifellos – »Situation in New Scotland Yard geklärt, Barbara?«
Es hatte keinen Sinn zu lügen. Er wußte, daß sie vom Dienst suspendiert worden war, auch wenn sie ihm verschwiegen hatte, was genau zu dieser Suspendierung geführt hatte. Schon von morgen an würde sie sich wieder jeden Morgen aus dem Bett wälzen und zur Arbeit schleppen müssen, da würde er früher oder später sowieso merken, daß sie ihre Tage nicht mehr beim Entenfüttern im Regent’s Park zubrachte.
»Ja«,
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