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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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lächeln. Selbst hier ließ Hanken sein Ordnungssinn offenbar keine Ruhe.
    Es war völlig still im Haus. Die Fenster waren offen, so daß man von draußen Vogelgezwitscher und das Brummen eines fernen Flugzeugs hören konnte. Drinnen jedoch war es so still wie in einer leeren Kirche.
    Irgendwo fiel eine Tür zu, Kies knirschte unter schnellen Schritten. Und einen Augenblick später fuhr ein dunkelhaariger Mann in Jeans und einem ärmellosen grauen Sweatshirt auf einem Rennrad an den Fenstern vorbei und verschwand an der Stelle zwischen den Bäumen, wo die Auffahrt abzufallen begann.
    Dann erschienen die Maidens. Lynley drehte sich um, als er sie kommen hörte und Hankens förmliches »Mr. und Mrs. Maiden, gestatten Sie, daß ich Ihnen unser Beileid ausdrücke« vernahm.
    Er sah, daß Andy Maiden der Ruhestand gut zu bekommen schien. Der ehemalige SO10-Beamte und seine Frau mußten Anfang Sechzig sein, aber sie sahen beide um Jahre jünger aus. Andy, der seine Frau um mehr als Haupteslänge überragte, wirkte wie ein Sportsmann, der sich viel im Freien bewegt: gebräuntes Gesicht, flacher Bauch, kräftiger Brustkorb – alles dem Ruf eines Mannes entsprechend, dem man nachgesagt hatte, er könne sich wie ein Chamäleon seiner jeweiligen Umgebung anpassen. Seine Frau stand ihm an körperlicher Fitneß in nichts nach. Auch sie war sonnengebräunt und kompakt, gönnte sich offensichtlich viel Bewegung. Beide jedoch sahen aus, als hätten sie mehr als eine Nacht nicht geschlafen. Andy Maiden war unrasiert, seine Kleidung verknittert. Nans Gesicht war eingefallen, nur die Augenpartie war geschwollen und leicht bläulich verfärbt.
    Maiden brachte ein mühsames Lächeln zustande. »Tommy! Danke, daß Sie gekommen sind.«
    Lynley erwiderte: »Es tut mir so leid, daß es unter diesen Umständen sein mußte«, und stellte sich Maidens Frau vor, ehe er hinzufügte: »Die Kollegen im Yard haben mich gebeten, Ihnen ihr Beileid auszudrücken, Andy.«
    »Scotland Yard?« Nan Maiden schien verwirrt. Ihr Mann sagte:
    »Gleich, Liebes«, und wies mit einer Armbewegung zu dem Alkoven hinter Lynley, wo durch einen Tisch getrennt zwei kleine Sofas einander gegenüberstanden. Er und seine Frau setzten sich auf das eine, Lynley auf das andere. Hanken zog sich einen Sessel heran und nahm am Kopfende des Tischs Platz, als wolle er eine Vermittlerposition zwischen den Parteien einnehmen. Aber Lynley bemerkte, daß sein Kollege den Sessel mit Bedacht so stellte, daß er dem heutigen New Scotland Yard näher war als dem gestrigen.
    Andy Maiden war nicht anzusehen, ob er Hankens Manöver wahrgenommen hatte. Er saß leicht vorgebeugt, die Hände zwischen den gespreizten Beinen. Die linke Hand massierte die rechte; die rechte massierte die linke.
    Seine Frau sah, was er tat, und reichte ihm einen kleinen roten Ball, den sie aus ihrer Tasche nahm. Sie sagte leise: »Immer noch so schlimm? Soll ich den Arzt anrufen?«
    »Sie sind krank?« fragte Lynley.
    Maiden drückte den Ball mit der rechten Hand zusammen, während er auf die gespreizten Finger seiner linken hinuntersah.
    »Der Kreislauf«, erklärte er. »Es ist nichts weiter.«
»Bitte laß mich den Arzt anrufen, Andy«, sagte seine Frau. »Das ist doch im Moment überhaupt nicht wichtig.«
    »Wie kannst du so was sagen –« Nan Maiden brach ab. »Mein Gott! Kann es tatsächlich sein, daß ich es einen Moment vergessen habe?« Sie drückte ihre Stirn an die Schulter ihres Mannes und begann zu weinen. Maiden nahm sie in den Arm.
    Lynley warf Hanken einen Blick zu. Sie oder ich? fragte er stumm. Angenehm wird es für keinen von uns beiden sein.
    Hanken antwortete mit einem kurzen Nicken: Machen Sie das.
    »Es wird niemals leicht sein, über den Tod Ihrer Tochter zu sprechen«, begann Lynley behutsam. »Aber bei einer Morduntersuchung – ich weiß, daß Ihnen das bereits klar ist, Andy – sind die ersten Stunden von entscheidender Bedeutung.«
    Noch während er sprach, hob Nan den Kopf. Sie wollte etwas sagen, brachte keinen Ton heraus, versuchte es noch einmal.
    »Morduntersuchung?« wiederholte sie. »Was sagen Sie da?«
    Lynley sah von einem zum anderen. Hanken ebenso. Dann tauschten sie einen kurzen Blick, und Lynley sagte zu Andy Maiden: »Sie haben doch die Leiche gesehen, nicht wahr? Man hat Ihnen gesagt, was geschehen ist?«
    »Ja«, antwortete Andy. »Man hat es mir gesagt. Aber ich –«
    »Mord!« rief seine Frau entsetzt. »O mein Gott, Andy! Du hast mir nie gesagt, daß Nicola

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