Undank Ist Der Väter Lohn.
stand entweder unter Schock, zu tief betäubt vor Schmerz, um zu begreifen, oder aber sie begriff nur allzugut, denn plötzlich hörte sie abrupt zu weinen auf und murmelte nur mit heiserer Stimme immer wieder: »O Gott, o Gott, o Gott.«
Hanken schien sich ziemlich schnell ein Urteil darüber gebildet zu haben, was ihre Reaktion bedeutete. Er beobachtete Andy Maiden jetzt mit entschieden kaltem Blick. Doch er reagierte nicht mit einem Hagel von Fragen auf Nan Maidens Enthüllung. Ganz der kluge Polizeibeamte, wartete er zunächst einmal ab.
Und unter dem Eindruck der Erschütterung wartete auch Maiden. Bis er sich schließlich bewußt zu werden schien, daß er für sein unverständliches Verhalten eine Erklärung schuldig war.
»Nan, Liebes, es tut mir leid«, sagte er zu seiner Frau. »Ich konnte einfach nicht ... es tut mir leid, wirklich. Nan, ich konnte es ja kaum fassen, daß sie tot ist, geschweige denn dir sagen ... geschweige denn der Tatsache ins Auge sehen ... mich damit auseinandersetzen ...« Er nahm sich einen Moment Zeit, um seine Fassung wiederzuerlangen, während er auf die inneren Reserven zurückgriff, die jeder, der bei der Polizei war, mit der Zeit aufzubauen lernte, wenn er auch das Schlimmste durchstehen wollte. Mit der rechten Hand knetete er krampfhaft den roten Ball, den seine Frau ihm gegeben hatte. »Es tut mir so leid«, sagte er trostlos. »Nan.«
Nan Maiden hob den Kopf. Sie sah ihn einen Moment lang an.
Dann hob sie ihre zitternde Hand und schloß sie fest um seinen Arm. Ihre Worte waren an Hanken und Lynley gerichtet.
»Würden Sie ...« Ihre Lippen bebten. Sie brach ab und sprach erst weiter, als sie ihre Emotionen unter Kontrolle hatte. »Würden Sie mir sagen, was geschehen ist.«
Hanken tat es in aller Kürze. Er erklärte, wo und wie Nicola Maiden umgekommen war, aber mehr sagte er nicht.
»Hat sie leiden müssen?« fragte Nan, als Hanken schwieg. »Ich weiß, daß Sie uns das nicht mit Sicherheit sagen können. Aber wenn es irgend etwas gibt, das uns die Hoffnung lassen würde, daß sie am Ende ...«
Lynley berichtete, was die Pathologin vom Innenministerium ihnen mitgeteilt hatte.
Nan ließ seine Worte einen Moment auf sich wirken. In der Stille klang Andy Maidens Atem laut und rauh. »Ich wollte es wissen«, sagte Nan, »weil ... Glauben Sie ... Kann es sein, daß sie nach einem von uns gerufen hat ... daß sie hoffte ... daß sie uns brauchte?« Ihr kamen wieder die Tränen, und sie sprach nicht weiter.
Bei ihren Fragen mußte Lynley unwillkürlich an die alten Moormorde denken, die monströse Tonbandaufnahme, die Myra Hindley und ihre Kumpane gemacht hatten, an die Seelenqual der Mutter des getöteten Mädchen, als die Aufnahme beim Prozeß abgespielt worden war und sie die Stimme ihres zu Tode verängstigten Kindes hatte hören müssen, das, während es brutal abgeschlachtet wurde, immer wieder nach seiner Mutter geschrieen hatte. Gibt es nicht eine bestimmte Art von Wissen, dachte er, das niemals öffentlich preisgegeben werden sollte, weil es für den Betroffenen unerträglich ist?
Er sagte: »Sie war durch die Schläge auf den Kopf sofort bewußtlos und ist nicht wieder aufgewacht.«
Nan Maiden nickte. »Hat man an ihrem Körper noch andere ... Ist sie ... Hat jemand sie ...?«
»Sie wurde nicht gefoltert«, schaltete sich Hanken ein, als verspürte auch er das Bedürfnis, der Mutter der Toten Barmherzigkeit widerfahren zu lassen. »Sie wurde nicht vergewaltigt. Einen umfassenden Befund werden wir erst später erhalten, aber im Moment sieht es so aus, als seien die Schläge auf den Kopf das einzige gewesen, was ihr –« Er hielt inne, vielleicht auf der Suche nach einem Wort, das den geringsten Beiklang von Schmerz hatte – »geschehen ist.«
Nan Maiden faßte den Arm ihres Mannes fester. Maiden sagte:
»Sie hat ausgesehen, als schliefe sie. Weiß. Wie Kalk. Aber wie im Schlaf.«
»Ich wünschte, das würde es leichter machen«, murmelte Nan. »Aber so ist es nicht.«
Und nichts wird es leichter machen, dachte Lynley.
»Andy«, sagte er dann, »wir haben die zweite Leiche möglicherweise identifiziert. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Bei dem Jungen handelt es sich vermutlich um einen gewissen Terence Cole. Er hatte eine Londoner Adresse, in Shoreditch. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Sie war nicht allein?« Der Blick, den Nan Maiden ihrem Mann zuwarf, verriet den Polizeibeamten, daß er ihr auch davon nichts gesagt hatte. »Andy?!«
»Nein, sie war
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