Undank Ist Der Väter Lohn.
oder einem unterdrückten Grinsen begegnet.
Ähnlich wie ihre Nachbarn, die gerade draußen vor dem Haus in Azhars strahlendsauberen Fiat steigen wollten, als Barbara auf dem Weg zum Dienst um die Ecke kam. Eine Zigarette zwischen den Lippen, war sie gerade dabei, ihr Notizbuch in die Schultertasche zu stopfen; deshalb bemerkte sie die beiden erst, als Hadiyyah ihr fröhlich zuwinkte und rief: »Barbara! Hallo, hallo! Guten Morgen! Du solltest wirklich nicht so schrecklich viel rauchen. Wenn du nicht aufhörst, wird deine Lunge ganz schwarz und scheußlich. Das haben wir in der Schule gelernt. Wir haben sogar Bilder gesehen. Hab ich dir das schon erzählt? Du siehst hübsch aus.«
Azhar, der schon mit einem Fuß im Wagen war, stieg wieder aus und nickte Barbara höflich zu. Er musterte sie aufmerksam.
»Guten Morgen«, sagte er. »Sie müssen also auch schon früh los.«
»Tja, die Pflicht ruft«, antwortete Barbara munter.
»Haben Sie Ihren Freund noch erreicht?« fragte er. »Gestern abend?«
»Mein Freund? Ach so! Sie meinen Nkata. Winston. Ich meine, Winston Nkata. So heißt er.« Sie wand sich innerlich, fragte sich, ob sie immer so konfus klang. »Er ist ein Kollege vom Yard. Ja. Wir haben uns noch gesprochen. Ich bin schon wieder fest in der Tretmühle. Ich meine, an einem Fall dran.«
»Sie arbeiten nicht mit Inspector Lynley zusammen? Sie haben einen neuen Partner?« Er sah sie forschend an.
»O nein«, erwiderte sie, halb Wahrheit, halb Lüge. »Wir arbeiten alle an demselben Fall. Winston genauso wie ich. Sie wissen schon – der Inspector bearbeitet die eine Seite, außerhalb von London. Wir hier die andere.«
»Ah, ja«, sagte er nachdenklich. »Ich verstehe.«
Du merkst einfach zuviel, dachte sie.
»Ich hab gestern abend nur die Hälfte von meinem glasierten Apfel gegessen«, berichtete Hadiyyah, eine willkommene Ablenkung. Das kleine Mädchen hatte sich an die offene Autotür gehängt und schwang daran hin und her, wobei sie sich immer wieder mit den Füßen vom Boden abstieß. Sie trug blütenweiße Söckchen. »Wir können den Rest heute abend zusammen essen, wenn du magst, Barbara.«
»Das wär schön.«
»Ich hab morgen meine Nähstunde. Hast du das schon gewußt? Ich mach gerade was ganz Besonderes, aber ich kann jetzt nicht sagen, was es ist. Du weißt schon, warum.« Sie warf einen vielsagenden Blick auf ihren Vater. »Aber du darfst es sehen, Barbara. Morgen, wenn du Lust hast. Möchtest du es sehen? Ich zeig’s dir, wenn du willst.«
»Klar, gerne.«
»Aber nur, wenn du kein Wort verrätst.«
»Ich werde schweigen wie ein Grab«, versprach Barbara.
Azhar hatte sie während dieser Unterhaltung schweigend betrachtet. Er war Mikrobiologe von Beruf, und Barbara kam sich unter seinem forschenden Blick wie eine Mikrobe unter dem Mikroskop vor. Er hatte sie oft genug morgens in ihrer üblichen Aufmachung zum Dienst gehen sehen, um zu wissen, daß hinter ihrem neuen Image mehr stecken mußte als ein plötzlicher Impuls, sich modisch etwas aufzumöbeln. Er sagte: »Das tut Ihnen doch sicher gut, wieder mit einem Fall befaßt zu sein. Nach Wochen der Muße strengt man gern mal wieder seinen Geist an, nicht wahr?«
»Es ist absolut super.« Barbara ließ ihre Zigarette zu Boden fallen, trat sie aus und beförderte die Kippe mit einem Fußtritt ins Blumenbeet. »Biologisch abbaubar«, sagte sie zu Hadiyyah, der das offensichtlich mißfiel. »Sauerstoff für den Boden und Futter für die Würmer.« Sie schob den Riemen ihrer Tasche höher über ihre Schulter. »Also, ich muß los. Halt mir den glasierten Apfel frisch, okay?«
»Vielleicht können wir uns auch ein Video ansehen.«
»Aber keine holden Maiden, die auf den Märchenprinzen warten. Sehen wir uns lieber Mit Schirm, Charme und Melone an. Ich schwärme für Mrs. Peel. Mir gefallen Frauen, die ihre Beine zeigen und gleichzeitig einem Mann kräftig in den Hintern treten können.«
Hadiyyah kicherte.
Barbara nickte noch einmal kurz und ging los. Sie war gerade bis zur Straße gekommen, als Azhar fragte: »Wird bei Scotland Yard Personal abgebaut, Barbara?«
Sie blieb stehen und antwortete verwundert, ohne über die Absicht hinter der Frage nachzudenken: »Ach wo, keine Spur. Wie kommen Sie denn darauf?«
»Durch den Herbst vielleicht«, sagte er. »Und die Veränderungen, die er mit sich bringt.«
»Aha.« Sie ging nicht auf die Andeutung hinter dem Wort »Veränderungen« ein. Sie wich seinem Blick aus. Sie nahm die Bemerkung
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