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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Rumpf, dort die Verstrebung, das Tragflächenende, den Motor oder das Heck. Als die Bilder alle verteilt waren, zog er aus seiner Jackentasche ein Vergrößerungsglas und machte sich daran, jedes einzelne Foto aufmerksam in Augenschein zu nehmen. »Da kommt praktisch jeder in Frage. Wir hatten immer nur mit dem Abschaum zu tun. Von den Drogendealern bis zu den Waffenschiebern. Suchen Sie sich’s aus. Jeder von denen könnte es darauf abgesehen haben, uns eins auszuwischen.«
    »Aber ein bestimmter Name fällt Ihnen nicht ein?«
    »Ich habe überlebt, indem ich die Namen aus meinem Gedächtnis gestrichen habe. Andy hat das nicht geschafft.«
    »Zu überleben?«
    »Zu vergessen.« Hextell legte eine der Aufnahmen beiseite. Sie zeigte die Maschine von vorn, mit durch die Perspektive stark verkürztem Rumpf. Er nahm jeden Zentimeter des Flugzeugs unter die Lupe, die Augen zusammengekniffen wie ein Juwelier, der den Wert eines Diamanten zu schätzen versucht.
    »Ist er deshalb ausgeschieden?« fragte Hextell. »Soweit ich gehört habe, ist er vorzeitig in den Ruhestand gegangen.«
    Hextell sah auf. »Gegen wen wird hier eigentlich ermittelt?«
    Barbara beeilte sich, ihn zu beschwichtigen. »Ich versuche nur, mir ein Bild von dem Mann zu machen. Wenn Sie mir irgend etwas sagen können, das uns weiterhilft ...« Sie machte eine Geste, die bedeuten sollte, daß das großartig wäre, und widmete ihren Enthusiasmus dem Schokodoughnut.
    Hextell legte sein Vergrößerungsglas nieder und faltete die Hände darüber. »Andy ist aus gesundheitlichen Gründen gegangen«, sagte er. »Seine Nerven haben nicht mehr mitgemacht.«
    »Sie meinen, er hatte einen Nervenzusammenbruch?«
    Hextell prustete spöttisch. »Es war nicht der Streß. Es waren die Nerven. Die Sinnesnerven. Zuerst hat der Geruchssinn versagt. Dann ist der Geschmackssinn weggeblieben. Dann kamen die Hände dran. Damit ist er noch ganz gut zurechtgekommen, aber dann ging’s an die Augen. Und da war Schluß. Er mußte aufhören.«
    »Ach du Schreck! Er ist blind geworden?«
    »Er wär's zweifellos geworden. Aber sobald er im Ruhestand war, ging’s wieder bergauf mit seiner Gesundheit. Er hatte seine fünf Sinne sehr schnell wieder beisammen, um es mal so auszudrücken.«
    »Aber was war denn nun die eigentliche Ursache?«
    Hextell maß sie mit langem, scharfem Blick, ehe er antwortete. Dann hob er die Hand und tippte sich mit Mittel- und Zeigefinger leicht an die Stirn. »Er hat’s nicht ausgehalten. Undercoverarbeit macht einen fertig. Mir sind dadurch vier Ehen in die Brüche gegangen. Ihm das Nervenkostüm. Manche Dinge lassen sich nicht ersetzen.«
    »Er hatte keine Eheprobleme?«
    »Wie ich schon sagte. Es war dieser ewige Zwang zur Verstellung. Manche lassen das einfach an sich ablaufen. Aber bei Andy war’s nicht so. Die Lügenmärchen, die er jedesmal erzählen mußte ... niemals über einen Fall sprechen zu können, solange er nicht abgeschlossen war ... das hat ihn restlos fertiggemacht.«
    »Es gab also nicht einen bestimmten Fall – einen großen Fall vielleicht –, der ihn mehr Kraft kostete als die anderen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Hextell abschließend. »Ich hab das alles hinter mir gelassen. Wenn es so einen Fall gab, kann ich ihn nicht nennen.«
    Mit einem solch lückenhaften Gedächtnis konnte er in der Zeit seiner Ermittlertätigkeit für die Staatsanwaltschaft kaum eine große Hilfe gewesen sein. Aber Barbara hatte den Eindruck, daß es ihm ziemlich gleichgültig war, ob die Anklage ihn nützlich fand oder nicht. Sie schob den Rest ihres Doughnuts in den Mund und spülte ihn mit Cola hinunter.
    »Vielen Dank, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte sie und fügte freundlich hinzu, während sie auf die Flugzeugfotos wies: »Das ist sicher ein aufregender Sport.«
    Hextell griff nach dem Propellerfoto und nahm es vorsichtig an den Rändern hoch, um es nicht zu beschmutzen. »Nur eine andere Art zu sterben«, erwiderte er.
    Mann o Mann, dachte Barbara. Was die Leute nicht alles tun, um jeden Gedanken an ihren Job zu verdrängen.
    Sie war zwar dem Namen, nach dem sie suchte, noch immer nicht näher, aber um einiges klüger hinsichtlich der Gefahren, die eine langjährige Tätigkeit bei der Polizei mit sich brachte, als sie an den Computer zurückkehrte. Sie hatte sich gerade wieder in Andrew Maidens Datei vertieft, als ein Anruf sie störte.
    »Es ist Cole.« Winston Nkatas Stimme war durch das Knistern und Rauschen in der Leitung

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