Undank Ist Der Väter Lohn.
Das weiß ich. Aber Nicola hatte einen teuren Geschmack. Glauben Sie mir, die Kleider, die sie tagtäglich hier in der Kanzlei trug, hätte sie sich von dem, was ich ihr bezahlt habe, nicht leisten können. Ich wette, wenn Sie sich mal ihren Kleiderschrank anschauen, werden Sie feststellen, daß das meiste darin aus exklusiven Läden stammt und daß irgendein armer Trottel mit seinen Kreditkarten dafür bezahlt hat. Aber ich bin dieser arme Trottel nicht.«
Sehr raffiniert, dachte Lynley. Upman hatte sämtliche Fäden mit einer Geschicktheit miteinander verknüpft, die ihm als Anwalt alle Ehre machte. Aber seine Präsentation hatte etwas Kalkuliertes, das Lynley mißtrauisch machte. Es war, als hätte er im voraus gewußt, wonach sie fragen würden, und seine Antworten geplant, wie sich das für einen guten Anwalt gehörte. Hankens leicht säuerliche Miene verriet, daß seine Gedanken über den Anwalt sich in ähnlicher Richtung bewegten.
»Sprechen wir hier von einer Affäre, die Nicola hatte?« fragte Hanken. »Mit einem verheirateten Mann, der tut, was er kann, um seine Geliebte bei Laune zu halten?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich kann nur sagen, daß sie eine Beziehung hatte und daß der betreffende Mann meiner Meinung nach in London sitzt.«
»Wann haben Sie sie das letzte Mal lebend gesehen?«
»Am Freitagabend. Wir haben zusammen gegessen.«
»Aber Sie selbst hatten keine engere Beziehung zu ihr«, vermerkte Hanken.
»Ich habe sie zum Abschied zum Essen eingeladen, das ist ja wohl nicht gerade unüblich. Warum fragen Sie überhaupt? Werde ich allein deswegen zum Verdächtigen? Dann kann ich nur die Gegenfrage stellen, weshalb hätte ich von Freitag bis Dienstag warten sollen, wenn ich – aus welchen Gründen auch immer – die Absicht gehabt hätte, sie zu töten?«
Hanken hakte sofort nach. »Ah! Sie wissen, wann sie gestorben ist.«
Upman ließ sich nicht erschüttern. »Ich habe mit jemandem in Maiden Hall gesprochen, Inspector.«
»Ja, das sagten Sie schon.« Hanken stand auf. »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Wenn Sie mir jetzt noch sagen könnten, in welchem Restaurant Sie am Freitag abend waren, werden wir Sie nicht weiter stören.«
»Im Chequers Inn«, antwortete Upman. »In Calver. Aber wozu brauchen Sie das? Stehe ich unter Verdacht? Wenn das zutrifft, bestehe ich darauf –«
»Im Moment besteht noch gar kein Anlaß, sich in Positur zu werfen«, sagte Hanken.
Und es besteht auch kein Anlaß, dache Lynley, den Anwalt noch mehr in die Defensive zu drängen. Er sagte: »Jeder, der das Opfer kannte, ist zunächst einmal ein Verdächtiger, Mr. Upman. Inspector Hanken und ich sind im Moment noch dabei auszusieben. Selbst Sie als Anwalt würden doch einem Mandanten gewiß zur Kooperation raten, wenn er von der Liste gestrichen werden wollte.«
Upman war von dieser Erklärung nicht überzeugt, aber er verfolgte die Frage auch nicht weiter.
Lynley und Hanken verabschiedete sich von ihm und gingen zur Straße hinunter, wo Hanken auf dem Weg zum Wagen sofort sagte: »Der Bursche ist mit allen Wassern gewaschen. Aalglatt. Glauben Sie ihm seine Geschichte?«
»Welchen Teil davon?«
»Ganz gleich.«
»Da er Anwalt ist, war natürlich alles, was er sagte, auf Anhieb verdächtig.«
Hanken mußte wider Willen lächeln.
»Aber er hat uns immerhin einige nützliche Informationen geliefert. Ich würde mich gern noch einmal mit den Maidens unterhalten, vielleicht können sie uns irgend etwas erzählen, was Upmans Verdacht, daß Nicola einen Liebhaber hatte, bestätigt. Wenn es irgendwo einen weiteren Liebhaber gibt, gibt es auch ein weiteres Mordmotiv.«
»Für Britton«, bestätigte Hanken. Er wies mit einer Kopfbewegung in Richtung von Upmans Kanzlei. »Aber was ist mit ihm? Zählen Sie ihn zu den Verdächtigen?«
»Auf jeden Fall, bis wir ihn genau überprüft haben.«
Hanken nickte. »Ich glaube, allmählich werden Sie mir sympathisch.«
Cilia Thompson war in ihrem Atelier fast am Ende der Portslade Road, das Barbara Havers nach einigem Suchen schließlich fand. Die beiden Flügel des großen Eingangstors standen offen, und die Künstlerin, die sich anscheinend mitten in einer kreativen Phase befand, war dabei, zu den dröhnenden Rhythmen afrikanischer Trommeln aus einem verstaubten CD Player eine Riesenleinwand mit Farbe vollzukleistern. Das Getrommel war so laut, daß Barbara das Vibrieren auf ihrer Haut und ihrem Brustbein fühlen konnte.
»Cilla Thompson?« brüllte sie und zog ihren
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