Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
dreckige, matschverschmierte Limousine auf meiner Höhe mit quietschenden Reifen bremste. Die Hunde (drei schwarze Labradore, ein Corgi, ein Golden Retriever, zwei fette Pudel und ein Köter undefinierbarer Rasse, alle mit Hundehalsbändern und schleifenden Leinen) erschreckten sich vor dem Lärm, und ich nutzte die Aufregung, um noch einmal »Haut ab!« zu zischen.
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Alle Türen der Limousine sprangen auf.
»Was . . . ?«
Viele Hände griffen nach mir.
»Heh . . . !«
Und zerrten mich ins Innere des Wagens. Die Türen schlugen zu, und wir fuhren los.
»Ich wusste, dass das geschehen würde«, ließ ich meine Entführer wissen, »nur damit ihr Bescheid wisst. Es war ja ganz offensichtlich, dass der Anruf eine Falle war.«
Vier meiner Entführer saßen mir gegenüber (toll! Extrab-reite Sitze!), und ihre martialische Aufmachung war beeindruckend. Sie hielten mir große Holzkreuze mit ausgestreckten Armen entgegen, und einer von ihnen schüttelte eine kleine Flasche mit einem Korken. Ich nahm an, es handelte sich um Weihwasser. Sie wirkten ein bisschen angespannt, aber nicht wirklich eingeschüchtert. Das hier taten sie nicht zum ersten Mal. »Wer von euch hat mich angerufen?«
Totenstille.
»Bitte, bitte. Wenn ihr es so haben wollt. Aber Angst habe ich nicht. Das erinnert mich an meinen Abschlussball.
Der rüde Umgang, die muffigen Gesichter, die übertriebene Limousine . . . ach ja . . . schön war die Zeit.«
Mein unmittelbares Gegenüber schnaubte, aber die anderen guckten weiter undurchdringlich. Sie sahen alle aus wie voneinander geklont: breite Brust, gut über eins achtzig groß, mit riesigen Händen und Stinkfüßen. Alle brauchten dringend eine Rasur, alle hatten schmutzig blonde Haare und braune Augen und rochen wie Old Spice gemixt mit Kirschhustensaft.
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»Seid ihr Brüder?«, fragte ich. Keine Antwort. »Dann seid ihr vielleicht alle Besitzer eines Cockerspaniels? Ihr wisst schon, was man sagt: dass die Leute nach einer Weile aussehen wie ihre Hunde? Weil ihr nämlich alle ausseht wie Cockerspaniel, wenn Cockerspaniel aufrecht gehen und ihr Fell rasieren könnten – und sprechen. Einmal angenommen, dass ihr sprechen könnt. Denn bisher hat ja keiner von euch ein Wort gesagt. Ich unterhalte den Laden momentan noch alleine. Das ist schon in Ordnung, keine Sorge, mir macht es nichts aus, die Konversation im Fluss zu halten. Obwohl es eines der Dinge ist, die meine Stiefmutter zur Weißglut treiben. Was wiederum . . . «
»Halt den Mund!«, sagte der am Ende der Reihe.
». . . wirklich unglaublich ist, weil sie nämlich über Kleider, Dinnerpartys und Poolpflege reden kann, bis der Arzt kommt, aber wehe, jemand anderes will mal ein Wort ein-werfen, dann . . . «
»Halt den Mund!«, sagten alle vier sauer.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Zwingt mich doch!«, sagte ich – eine mutige, aber leider auch etwas unüberlegte Antwort.
Der Spaniel am Ende der Reihe lehnte sich vor und schob sein Kreuz näher zu mir herüber. Ich spielte mit dem Gedanken, es einfach zu packen und in tausend Zahnstocher zu zerbrechen, aber erstens hatte ich nichts zwischen den Zähnen, und zweitens dachte ich, es könnte respektlos wirken, und schließlich hatte ich keine Lust, mir einen Splitter in der Hand einzufangen. Sie hielten ihre Kreuze und ihr Weihwasser und fühlten sich sicher. Noch wollte ich ihnen ihre anrührenden Illusionen über Vampire nicht nehmen.
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Was allerdings nachdenkenswert schien: Wenn Kreuze und Bibeln mir nichts anhaben konnten, dann doch sicher auch nicht anderen Vampiren, oder? Andererseits lag ich vielleicht falsch. Warum sonst die Kruzifix-Brigade?
Was ließ mich sonst noch kalt, hatte aber bei »normalen«
Vampiren möglicherweise eine Wirkung? Um das herauszu-finden, würde ich Augen und Ohren offen halten müssen, so viel stand fest. Nachdem ich dies für mich entschieden hatte, bemerkte ich, dass der Spaniel immer noch mit seinem Kreuz vor meiner Nase herumfuchtelte. »Nein. Bitte nicht. Aua. Das brennt«, sagte ich höflich. Und schwieg dann, denn das war es offensichtlich, was sie von mir wollten. Mir war’s recht. Ich genoss den Ausblick.
Ich stöhnte, als wir anhielten. Ein Friedhof! Ausgerechnet! Huhuuuu . . . das Böse . . . lauert . . . in den Herzen . . .
der Menschen . . . überall . . . huhuuuu. Zum Kotzen!
»Also wirklich, Leute!«, sagte ich, als sie mich aus dem Wagen zerrten. »Müssen wir denn jedes Stereotyp durchor-geln? Wenn ihr mich
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