Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
haben sie es nicht mehr geschafft, ihre Klienten anzurufen, ihre Computer einzuschalten, den Sortierer des Kopierers einzustellen, Bürobedarf nachzube-stellen, Daten zu aktualisieren, Schecks auszustellen, Post zu frankieren, Gehälter zu berechnen, Overnight-Kuriere zu beauftragen und . . . eben alles, was den Laden zusam-120
menhält.« Ich grinste, als ich mir all dies bildlich vorstellte, und kam dann zurück auf den Punkt. »Jessica ist mindestens zweimal so schlau wie alle, die hier am Tisch sitzen.
Und darüber hinaus . . . du meine Güte, wie viel willst du denn noch essen?«
Während ich schimpfte, hatte er die Kellnerin erneut herangewunken.
»In der letzten Zeit war ich zu deprimiert, um zu essen«, verteidigte er sich, »und nach dem, was auf dem Dach passiert ist, habe ich einen Bärenhunger. Außerdem bist du nur neidisch.«
»Da hast du recht«, sagte ich schlecht gelaunt und rührte in meinem Tee. »Meine Mutter hat mir gestern mein Lieb-lingsessen zubereitet, und ich habe das ganze Badezimmer damit vollgekotzt.«
»Aber trinken kannst du?« Er nickte in Richtung meines Tees.
»Offensichtlich. Auch wenn es leider keine Wirkung auf mich hat. Jedenfalls stillt es nicht meinen Durst. Aber es ist so vertraut, verstehst du?«
»Klar. Aus diesem Grunde bleibe ich auch in der Notaufnahme. Die Arbeit deprimiert mich fürchterlich, ich habe keinen Feierabend, aber wenigstens weiß ich, wo ich was finde.«
»Wenn du so unglücklich bist, warum wechselst du nicht?
Such dir doch einen Job in einer netten Privatklinik irgendwo.«
»Bei der Wirtschaftslage?«
»Also wirklich! Du bist doch kein Maurer. Du bist Arzt, und Ärzte werden immer gebraucht.«
121
Er zuckte mit den Achseln und starrte auf seinen Teller.
»Na ja . . . «
»Es muss doch schwer sein, in einer Kinderklinik zu arbeiten.«
»Es ist ganz fürchterlich«, sagte er düster. »Kaum zu glauben, was für schlimme Sachen Menschen Kindern antun.«
»Ich will es nicht hören«, fiel ich ihm ins Wort.
»Aber ich würde gern mit dir darüber sprechen. Du musst doch Blut saugen, oder? Ich könnte dir eine Liste von Eltern aufstellen, die ihre Kinder misshandeln, Säuglinge als Aschenbecher benutzen oder ihren Kindern ein heißes Bügeleisen auf den Rücken pressen, weil sie die Tür ein wenig zu laut knallen ließen. Du könntest . . . du weißt schon, die Dinge wieder in Ordnung bringen.«
»Eine Art blutsaugende Bürgerwehr?« Ich war entsetzt.
Und wurde nachdenklich. Aber vor allem war ich entsetzt.
»Hast du mir nicht zugehört? Letzte Woche war ich noch Sekretärin!«
»Aber jetzt nicht mehr«, sagte Marc verschlagen. Jetzt, da er einen neuen Sinn im Leben gefunden zu haben schien, war seine Körpersprache – sogar sein Geruch! – verändert. Keine hängenden Schultern mehr, keine traurigen Augen. Vor mir saß der Rächer. »Du wolltest doch das Böse bekämpfen zum Ausgleich für deine neuen Ernährungsge-wohnheiten, oder? Das wäre doch ein idealer Anfang!«
Ich schüttelte nur den Kopf und rührte in meinem Tee.
»Was ist die Alternative? Du bist nicht der Typ, der im Dunkeln lauert und seine unglücklichen Opfer in eine teuflische Umarmung lockt.«
122
Ich musste kichern, als ich mir die Szene bildlich vorstellte.
»Und Vampire kichern auch nicht.«
»Dieser Vampir schon. Und bevor ich es vergesse . . . «
Meine Hand schoss vor. Ich zog ihn zu mir und schaute ihm tief in die Augen. Der richtige Zeitpunkt, um meinen bösen Sexappeal zur Abwechslung einmal für Gutes zu nutzen. »Ich freue mich, dass es dir besser geht. Aber falls du rückfällig wirst: Du – bringst – dich – nicht – um.« Ich machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Ich befehle es dir.«
Er starrte zurück. Seine Pupillen waren stecknadelgroß.
Das Licht in dem Nachtcafé war gleißend. »Ich werde tun, was immer . . . ich – will – aber – vielen – Dank.«
Ich starrte intensiver. Komm schon, Vampir Mojo. Tu deine Wirkung.
»Bring – dich – nicht – um.«
»Warum – sprichst – du – so – komisch?«
Unwillig ließ ich seine Hände los. »Verdammt. Seitdem ich als Tote erwacht bin, sind alle Männer meinem Befehl willenlos gefolgt. Und mehr als einer hat mir schon auf der Highschool gehorcht, vielen herzlichen Dank. Was ist so besonders an dir?«
»Danke, dass du so angewidert klingst. Ich habe keine Ahnung. Ich . . . äh . . . « Seine Kinnlade klappte herunter, und ich konnte praktisch hören, wie sein IQ eine
Weitere Kostenlose Bücher