Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
»Exzellent«, sagte sie mit per-fektem britischem Akzent. Ich liebe es, Briten zuzuhören.
»Das hat Mitzi schon seit einer Weile gebraucht.«
»Die Amazone heißt Mitzi?«
Sie lächelte verschlagen. Sie sah aus wie eine süße, kleine Elfe mit ihrem kurz geschnittenen blonden Haar, den himmelblauen Augen und dem kleinen Kinn mit Grübchen.
Sie trug ein pinkfarbenes T-Shirt, das ihren Teint toll zur Geltung brachte, und wadenlange weiße Hosen. Ihre Ze-hennägel war in schimmerndem Rosa lackiert und sahen aus wie kleine Perlen. »Sprich du . . . Betsy.«
»Na gut. Sag mal, du weißt nicht zufällig, wo die Küche ist, oder? Und die Frage ist nicht als Verunglimpfung deiner ethnischen Herkunft gemeint . . . «
241
»Dann komm mal mit mir mit.« Sie hüpfte den Flur hinunter, und ich musste mich anstrengen, mit ihr Schritt zu halten.
»Ist das hier ein Rennen?«
»Oh, pardon.« Sie verlangsamte ihr Tempo ein wenig.
»Also, ihr . . . ihr lebt in diesem Haus?«
»Mm-hmmm.«
»Magst du es?«
Sie sah mich überrascht an. »Was soll man denn daran nicht mögen? Du hast doch Eric Sinclair gesehen, oder?«
»Äh . . . ja, ja.« Natürlich sah er ganz gut aus aber war er nicht auch eines der Untiere? So wie ich übrigens auch?
Warum sollte sie sein Appetithäppchen sein wollen? »Ich pflege Menschen nicht vorschnell nach ihrem Äußeren zu beurteilen, meistens zumindest. Aber du scheinst mir nicht der Typ zu sein, der gerne äh . . . «
Sie lächelte und in ihren Augenwinkeln bildeten sich freundliche Lachfalten. »Eine verdorbene Schlampe, eine aus seinem Harem, sein Frühstück, Mittag- und Abendessen ist?«
»Nun ja. Ja.«
»Eric Sinclair hat mich gerettet. Ich weiß, der Anschein spricht dagegen, aber er fand mich auf der Straße. Ich habe meinen Lebensunterhalt auf den Knien in dunklen Seitenstraßen verdient. Er hatte einen weit besseren Vorschlag.«
»Oh. Oh!« Wenn ich noch leben würde, hätte mein Gesicht jetzt die Farbe von Roter Bete gehabt. »Du siehst gar nicht aus wie eine . . . ich meine . . . du bist so . . . «
»Meine Mutter hat immer gesagt: Jeder wird in Gottes schöner Welt gebraucht.«
242
Ich hatte mich nie zuvor mit einer ehemaligen Prosti-tuierten unterhalten. Und ich hatte so viele Fragen! Wie hoch war der Verdienst? Waren Zuhälter wirklich so bö-
se wie in den Filmen? Gab es Zahnzusatzversicherun-gen? Konnte sie einen Polizisten von einem Freier unterscheiden? Hatte es ihr je Spaß gemacht, oder war es immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit? Wurde eine Schwan-gerschaft von der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt?
Ich riss mich zusammen. »Meine Mutter sagt das auch immer. Nun, ich denke, was zählt, ist, dass du hier glücklich bist. Und dass das Essen gut ist. Der Rest geht niemanden etwas an.«
Sie lachte. »Das Essen ist wundervoll. Und für mich ist es keine Last, Sinclair wohlgenährt zu halten.«
Wir gingen jetzt eine Treppe hinunter, die aber nicht zur der mir bereits bekannten Eingangshalle führte. »Ja, Ja. Außerdem ist er angenehm anzuschauen, nichts Wildes.
Kann ich eigentlich irgendwo eine Karte kaufen, um mich in diesem Haus zurechtzufinden?«
Sie lachte wieder. »Daran wirst du dich gewöhnen.«
»Ach Gott, ich hoffe nicht.«
Ihr Lachen erstarb so abrupt, als wenn jemand ein Radio ausgeschaltet hätte. »Du . . . ich dachte, du wärst ein Vampir.«
»Das bin ich auch.«
»Sag noch einmal Gott.«
»Gott.«
»Sag, ›O Jesulein süß, oh Jesulein zart‹.«
»O Jesulein süß, oh Jesulein zart.«
243
»Sag das Vaterunser auf, bitte.«
»Nur wenn du mir einen Keks gibst, wenn ich fertig bin. Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe . . . «
»Still!« Dennis schoss die Treppe hoch und traf uns in der Mitte. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren, so schnell rannte er. Die Hände hatte er fest auf die Ohren gepresst. Seine Augen rollten, wie die eines tollwütigen Hundes. »Sei ruhig, Karen! Wenn du das tust, kann ich meine Arbeit nicht machen. Hör auf diesen verdammten Lärm zu machen!«
»Das bin nicht ich, Dennis«, sagte die, die ich für Karen hielt, und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand.
Sie zuckte mit dem Daumen in meine Richtung. »Die da ist es.«
»Oh.« Langsam ließ Dennis seine Arme sinken. Er hatte sich schick gemacht, denn er trug schwarze Hosen, schwarze Socken und ein frisches, weißes Oxford-Hemd. Keine Krawatte, doch er schloss
Weitere Kostenlose Bücher