Undead 02 - Suss wie Blut und teuflisch gut
anrufen. Ich bin auf dem Weg zu den Biestern.«
»Wie cool! Wann nimmst du mich mal mit?«
»Niemals.«
»Ach, komm schon«, quengelte sie.
»Vergiss es. Zu gefährlich.«
»Das sagst du immer, wenn es lustig wird«, schmollte sie.
»O ja, wirklich lustig. Durchgeknallte Blutsauger, mehr Tier als Mensch. Glaub mir, wenn ich nicht für sie verantwortlich wäre, würde selbst ich mich fernhalten.«
»Schon gut. Wir reden später.«
»Gib Sinclair einen dicken Schmatzer von mir.« Ich legte auf und warf das Handy auf den Beifahrersitz. Schade, dass ich ihrer Bitte nicht nachkommen konnte, aber ich würde niemals ihr Leben in Gefahr bringen. Auch wenn sie meine Autofenster hatte reparieren lassen, während ich schlief.
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Ich fuhr vor Nostros Haus vor. Die Biester waren sein Werk, das Ergebnis eines wahnwitzigen Experiments, und bis heute hielten wir sie in seinem Haus. Warum auch nicht? Er hatte sicher keine Verwendung mehr dafür.
Wenn man einen neugeborenen Vampir daran hinderte, Blut zu saugen, wurde daraus ein Biest. Sie wurden buchstäblich verrückt vor Hunger, und die meisten von ihnen verloren den Verstand. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit, auf zwei Beinen zu laufen und regelmäßig ein Bad zu nehmen. Es war traurig und abstoßend zugleich.
Ich machte die Runde ums Haus, um zur Scheune zu gelangen – wahrscheinlich die einzige Scheune in ganz Minnetonka. Auf dem Rasen tollten die Biester im Mondlicht wie große untote Hundewelpen. Als sie mich rochen, kamen sie angerannt. Ich tätschelte ein paar von ihnen und kam mir dumm dabei vor. Auch sie waren einmal Menschen gewesen – und jetzt behandelte ich sie wie Haustiere.
Natürlich benahmen sie sich so – grässlich gefährliche, un-berechenbare, blutrünstige Haustiere – aber trotzdem . . .
»Majestät!«
Alice grüßte mich und kam über den Rasen angelaufen.
Sie war gerade vierzehn geworden, als Nostro, der Mistkerl, sie zu einem Vampir gemacht hatte. Jetzt steckte sie auf ewig in den Qualen der Pubertät fest! Es gab also doch noch Schlimmeres als den Tod.
»Hi, Alice.« Sie sah ganz besonders niedlich aus in ihrem blauen Pullover und der weißen Bluse. Das lockige rote Haar wurde von einem blauen Haarband zurückgehalten.
Nackte Füße. Die Zehennägel himmelblau lackiert. »Wie geht’s dir?«
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»Gut, Majestät.«
»Zum tausendsten Mal: Betsy.«
»Sie scheinen sich zu freuen, Euch zu sehen«, sagte sie und ging nicht weiter auf meine Bemerkung ein.
»Ja. Sie sehen gut aus. Du kümmerst dich gut um sie.«
Alice errötete stolz. Oder hatte sie vor kurzem Blut gesaugt? Jedenfalls waren ihre Wangen ganz rosig. Die Biester tranken Schweineblut, und die wöchentliche Metzgerrech-nung war in der Tat sehr hoch. Darüber wunderte ich mich immer wieder, denn jeder Vampir, den ich kannte, benötigte
»lebendiges« Blut.
Vielleicht brauchten die Biester den Stoff nicht direkt von der Quelle, weil sie kaum noch etwas Menschliches an sich hatten.
»Ich glaube, sie machen Fortschritte«, sagte Alice. »Ich habe ihnen ein paar Bücher dagelassen, und dieses Mal haben sie nicht darauf geschissen wie das letzte Mal. Nur ein bisschen daran geknabbert.«
»Keine Details, bitte. Aber trotzdem danke. Und wie geht es dir?«
»Na ja, Ihr wisst schon«, sagte sie zurückhaltend und zeigte auf das riesige leere Haus. »Es ist manchmal ein bisschen einsam hier draußen, aber Tina leistet mir Gesellschaft.«
»Jesses, Alice, du bist keine Gefangene. Du kannst gehen, wann immer du willst. Du musst hier nicht leben.«
»Aber das ist jetzt mein Job«, sagte sie ernst. »Das ist das Allerwichtigste.«
»Das ist die richtige Einstellung«, gab ich zu. »Äh . . .
danke noch mal.«
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»Ich bin hier, um Euch zu dienen, Majestät.«
»Schluss damit. Hast du alles, was du brauchst?«
»Ja, natürlich«, sagte sie heiter.
Das sah ich anders, aber ich nehme an, nach einigen Jahren unter Nostros Herrschaft war es für Alice ein Kinderspiel, einen Haufen wilder Vampire in Schach zu halten.
Ich an ihrer Stelle hätte mich zu Tode gelangweilt. Aber Alice beschwerte sich nie, und immer wenn ich vorschlug, jemand anderem die Aufsicht über die Biester zu übertragen, nur um ihr einmal eine Pause zu gönnen, dann weinte sie fast.
»Nun, nächste Woche komme ich nicht. Du hast ja meine Handynummer. Ruf an, wenn du etwas brauchst.«
»Das mache ich, Majestät.«
Ich seufzte. »Und bitte, versuch mich Betsy zu nennen.«
Sie lächelte nur.
»Das
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