Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
sie verwandelte sich sozusagen in eine Anime-Figur. »Ihr könntet doch nie … Ihr habt es nicht getan. Ich dachte, Ihr hättet verstanden. Seine Majestät hat gesagt, dass Ihr bald zurück sein würdet, und dann könnten wir Euch in unser Wissen einweihen. Wir wollten Euch doch nichts vorenthalten.« Ängstlich musterte sie mein Gesicht. »Ihr versteht jetzt, nicht wahr?«
»Was … ihr wolltet mir sagen, was ihr wisst?«
»Caroline hat sich natürlich an Euch erinnert. An euch beide. Meine Ururgroßmutter erinnerte sich sehr gut an die beiden sehr großen, sehr hübschen Blondinen, die seltsam gekleidet waren und noch seltsamer sprachen.
Sie erinnerte sich an alles, was die Engel – denn dafür hielt sie Euch – was die Engel ihr gesagt hatten. Nach der Begegnung war sie erschüttert, aber dankbar. Sie verließ Massachusetts und ließ sich im Westen nieder, froh, ihr Leben und ihren Verstand gerettet zu haben.
Und sie erzählte ihrer Tochter, was ihr widerfahren war. Wie der Glaube, der doch eigentlich ein Schild sein sollte, sich in einen Knüppel verwandeln kann. Sie erzählte ihrem kleinen Mädchen, wie die Engel sie vor dem grausamen Mob und einem noch grausameren Tod gerettet hatten. Und die Tochter hat es wiederum ihrer Tochter erzählt, die es dann an mich weitergab. Es war meine Lieblings-Gutenachtgeschichte, und ich wurde nie müde, sie zu hören.« Sie machte eine Pause. »Es war auch Erins Lieblingsgeschichte«, fügte sie leise hinzu.
Immer noch hielt ich ihre Hände fest, immer noch sah ich zu ihr auf und wünschte mir, Mensch genug zu sein, um sichtbare Tränen weinen zu können. Aber ich war kein Mensch mehr und würde niemals wieder einer sein. Stattdessen wartete in ein paar Jahrhunderten dieses andere Ich auf mich, diese Frau, die keine Freunde mehr hatte, sondern nur Gefolgsleute. Diese Frau, die den falschen Marc erschaffen hatte, oder geduldet hatte, dass er erschaffen wurde. Diese Frau, die nicht wusste, wo ihr Mann war oder ob er überhaupt noch lebte … und der das vollkommen gleichgültig war.
»Tina, ich hätte es nicht tun dürfen. Ich habe es vorher nicht gewusst, aber genau darum geht es ja. Dass ich es nicht wusste, hätte Grund genug sein müssen, ein anderes Leben unangetastet zu lassen.«
Tina befreite sich mit einer Hand aus meinem festen Griff. Ich ließ es zu. Eine Sekunde lang glaubte ich, sie werde nun ausholen und mir einen wohlverdienten Kinnhaken verpassen. Stattdessen drehte sie vorsichtig meine Hand um, beugte sich vor und küsste die Handfläche. Dann schloss sie sie über dem Kuss und durchbohrte mich förmlich mit ihrem dunklen Blick. Ihre langen blonden Locken hatten sich gelöst und ihr Haar war überall, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, ihr in die Augen zu schauen, um es beiseite zu schieben.
»Meine geliebte dunkle Königin«, sagte sie und schenkte mir das wärmste Lächeln, das ich je von ihr bekommen hatte. »Ich habe es immer gewusst.«
Und dann ließ sie es zu, dass ich lange mein Gesicht in ihrem Schoß barg und schluchzte.
75
Nach einer peinlich langen Zeitspanne beruhigte ich mich wieder, ließ mich von Tina umarmen, fuhr mit den Fingern durch mein (schmutziges) Haar und seufzte tief. »Okay. Das war ja direkt erlösend.«
»O je! Euer Gesicht ist noch schmutziger geworden!«
»Das muss dich nicht so fröhlich stimmen.«
»Nein, ich schätze nicht.« Eigentlich lachte sie auch nicht über mich. »Mögt Ihr einen Smoothie?«
»Ich hätte liebend gern einen Smoothie, und dann müssen wir miteinander reden. Ich meine, zuerst muss ich Sinclair finden und mich bei ihm entschuldigen, aber dann mit dir reden. Denn als ich das Haus verließ, war Jessica kein bisschen schwanger und Nick hat mich gehasst.«
»Wirklich?« Tina machte große Augen. »Das ist … kaum vorstellbar. Meine Güte. Ihr habt wirklich einiges zu erzählen, nicht wahr?«
Äh, ja … so ein paar Geschichten schon. Aber nicht alle.
»Ich kümmere mich um Euren Smoothie … Nick hat ungefähr drei Dutzend Einkaufstüten Beeren in die Küche gebracht. Wenn Ihr erlaubt, Majestät.« Sie entfernte sich, während sie vor sich hin brummelte: »Wie wir die alle aufessen sollen, bevor Seine Majestät es merkt, oder einige davon schlecht werden, weiß ich wirklich nicht … «
Okay. Zeit, mich nach oben zu begeben, endlich zu duschen, meine Klamotten zu … zu …
Der Brief!
Ich ließ mich auf die Knie nieder, riss meine Tasche auf und durchwühlte meine saubere
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