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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sein?«
    »Statistik«, sagte ich. »Achtzig Prozent aller Selbstmorde werden von Männern verübt. An der Ostküste sind Selbstmorde weit seltener als an der Westküste. Und der Ort, an dem sie sich erschossen hat, war höchst ungewöhnlich.«
    »Aber sie hat’s getan. Sie haben sie gesehen. Daran besteht kein Zweifel. Das kann niemand bestreiten. Es war kein raffiniert getarnter Mord.«
    »Vielleicht ist sie dazu getrieben worden. Vielleicht war das ein Mord aus der Ferne.«
    »Dann sind das alle Selbstmorde.«
    Sie sah nach beiden Richtungen die Avenue entlang, wollte gehen und war zu höflich, um das auszusprechen. Ich sagte: »Nun, war nett, Sie kennenzulernen.«
    »Sie reisen ab?«
    Ich nickte. »Ich fahre nach Washington.«

20
     
    Ich nahm den Zug von der Penn Station. Wieder ein öffentliches Verkehrsmittel. Dorthin zu gelangen war spannend. Ich musste mich nur drei Straßenblocks weit durch Menschenmassen schieben, aber ich achtete unterwegs ständig auf Leute, die auf den Bildschirm ihres Handys starrten, und hatte den Eindruck, alle Welt halte irgendein aufgeklapptes elektronisches Gerät in der Hand. Aber ich kam heil an und löste eine Fahrkarte, die ich bar bezahlte.
    Der Zug selbst war voll besetzt und ganz anders als die U-Bahn. Alle Fahrgäste hatten Sitze in Fahrtrichtung und waren hinter hohen Lehnen verborgen. Die einzigen Menschen, die ich sehen konnte, waren die in meiner Reihe. Die Frau, die neben mir saß, und zwei Männer auf der anderen Seite des Mittelgangs. Ich hielt alle drei für Anwälte. Nicht gerade Staranwälte. Eher aus der zweiten oder dritten Riege, vermutlich wichtige Mitarbeiter, die ein hektisches Leben führten. Jedenfalls keine Selbstmordattentäter. Die beiden Männer waren frisch rasiert, und alle drei wirkten leicht gereizt, aber sonst ließ nichts die Alarmglocken schrillen. Allerdings war der Amtrak nach Washington auch kein Objekt für Selbstmordattentäter, sondern wie geschaffen für eine Kofferbombe. In der Penn Station wird der Bahnsteig erst in letzter Minute bekanntgegeben. Die Menge drängt sich in der Bahnhofshalle und strömt dann zum Bahnsteig hinunter und stürmt den Zug. Sicherheitskontrollen gibt es keine. In den Gepäckablagen stapeln sich identische schwarze Rollkoffer. Irgendein Kerl könnte leicht in Philadelphia aussteigen, seinen Koffer zurücklassen und ihn etwas später per Handy detonieren lassen, wenn der Zug ohne ihn in die Union Station, mitten im Herzen der Hauptstadt, einfährt.
    Doch wir kamen ohne Zwischenfälle an, und ich gelangte unbeschadet auf die Delaware Avenue. Washington war so heiß wie New York, aber feuchter. Die Gehsteige waren mit kleinen Touristengruppen gesprenkelt. Hauptsächlich Familien, pflichtbewusste Eltern, missmutige Kinder, alle in Shorts und bunten T-Shirts, Stadtpläne in den Händen, Kameras einsatzbereit. Allerdings sah auch ich nicht gerade elegant aus und war kein guter Kenner der Stadt. Ich hatte öfter dort gearbeitet, aber immer am linken Flussufer. Aber ich wusste, wohin ich wollte. Mein Ziel war unverkennbar und ragte direkt vor mir auf: das Kapitol. Es war errichtet worden, um Eindruck zu machen. Ausländische Diplomaten hatten es in der ersten Zeit der jungen Republik besuchen und die Überzeugung mitnehmen sollen, die neue Nation werde eine wichtige Rolle spielen. Diesen Zweck hatte das Kapitol erfüllt. Ihm gegenüber an der Independence Avenue standen Verwaltungsgebäude mit den Büros von Abgeordneten und Senatoren. Aus früheren Jahren, in denen ich als Ermittler manchmal vor Ausschüssen hatte aussagen müssen, hatte ich noch eine Ahnung von Kongresspolitik. So wusste ich beispielsweise, dass im Rayburn Building lauter alte Hasen residierten, die schon ewig in Washington waren. Ich rechnete mir aus, dass ein relativer Neuling wie Sansom stattdessen im Cannon Building untergebracht sein würde. Angesehen, aber nicht allererste Sahne.
    Das Cannon Building an der Kreuzung Independence Avenue und First Street stand der entfernten Ecke des Kapitols geduckt gegenüber, als huldigte es ihm oder stellte eine Bedrohung dar. Am Eingang fanden strenge Sicherheitskontrollen statt. Ich fragte einen Mann in Uniform, ob Mr Sansom aus North Carolina da sei. Er sah auf einer Liste nach und bejahte. Ich fragte, ob es möglich sei, ihm durch Boten eine Mitteilung überbringen zu lassen. Der Uniformierte bejahte auch das. Er gab mir einen Bleistift, ein Blatt Notizpapier mit dem Aufdruck Cannon House und einen

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