Underground
bloß nicht, dass es nichts heißen muss.« Ich drehte mich zu ihm um und schaute ihn an. Wir standen nur wenige Millimeter voneinander entfernt. Barfuß waren wir fast gleich groß, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte, ohne den Kopf zurückzulehnen. »Ich habe dich nicht ins Bett gelockt, weil ich Angst hatte, oder aus purer Freude am Überleben. Ich mag dich. Ich mag dich sogar sehr. Und ich vertraue dir. Ich vertraue dir so weit, dass ich dir mein Leben anvertraut habe. Außerdem muss ich dich nicht anlügen. Es ist wunderbar, mit jemandem zusammen zu sein, der weiß, wer ich bin. Das ist sogar besser als der Sex – der allerdings auch nicht übel war.«
Quinton lächelte. Sein Lächeln wurde immer breiter, bis er schließlich laut lachte und mir einen schmatzenden Kuss auf den Mund gab. Meine Wangen glühten, weshalb ich den Kopf rasch wieder in meine Tasche steckte und weiter darin herumwühlte. Schließlich wollte ich nicht allzu idiotisch wirken.
Endlich zog ich das Handy heraus, das noch immer in der zusammengedrückten Aluminiumdose steckte. Quinton legte seine Hand auf meine, um mich daran zu hindern, es herauszuholen.
»Warte. Sobald du den Akku einsetzt, kann man das Telefon orten und es als Abhörgerät benutzen. Momentan bist du die Einzige, die sie mit mir in Verbindung bringen. Und das Handy stellt wiederum die beste Verbindung zu dir dar. Ferns Freunde werden es bestimmt für sie im Auge behalten. Gehen wir einfach davon aus, dass dein Büro angezapft ist, bis wir das Handy irgendwo anders anschalten können.«
Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihn an. Dann holte ich tief Luft, ehe ich sagte: »Ich glaube, ich möchte jetzt doch etwas mehr über Fern Laguires Motive wissen. Du hast ein paar Dinge gesagt, die mich vermuten lassen, dass es offenbar um eine persönliche Auseinandersetzung zwischen euch beiden geht.«
»Kann man so sagen«, erwiderte Quinton und nickte. Seine Aura verwandelte sich in ein bernsteinfarbenes Glühen. »Persönlich auf eine ziemlich unpersönliche Art und Weise.« Er klang amüsiert. »Wir haben uns nur ein paarmal getroffen. Aber ich kenne sie recht gut, weil ich sie beobachtet habe. Ich kenne sie besser als sie mich, und so weiß ich, dass sie mich hasst. Denn ich bin der große Schandfleck in ihrer sonst so makellosen Karriere. Ich habe im Auftrag eines anderen Nachrichtendienstes für Ferns Team bei der NSA gearbeitet, und zwar weil mein früherer Chef die peinlichen Ergebnisse eines Projekts, mit dem ich mich zuvor beschäftigt hatte, nicht an die große Glocke hängen wollte. Ich hatte die richtige Mischung aus ungewöhnlichen Fähigkeiten, weshalb man mich Ferns Gruppe zuwies. Im Hauptquartier Fort Meade nennt man die NSA spaßeshalber auch ›Nichts Sagen‹. Es ist genau der richtige Ort, um jemanden mit technischem Wissen vor neugierigen Schnüfflern zu verstecken.« Quinton machte eine
Pause und sah sich um. »Das wird eine längere Geschichte. Wir sollten uns besser setzen.«
Wir machten es uns auf dem Sofa bequem, er an einem Ende und ich an dem anderen. So konnten wir uns ansehen, ohne uns am Tisch gegenübersitzen zu müssen.
»Also«, fuhr er fort. »Ich landete in Fort Meade, weil die Jungs, für die ich zuvor gearbeitet hatte, in eine ziemlich peinliche Zwickmühle geraten waren. Sie waren es übrigens auch, die mich überhaupt dazu gebracht hatten, mich mit den Rissen in der Realität zu beschäftigen. Der Nachrichtendienst wollte das Ganze unter den Tisch kehren, aber mir behagte das nicht. Ich habe einfach nicht die gleiche Einstellung wie diese Leute. Allerdings war die Arbeit für Fern Laguire meiner guten Laune auch nicht gerade zuträglich. Bei ihr verstand man, dass die wenigsten großen Regierungen dieser Welt so integer und korrekt handeln, wie sie das vorgeben. Weißt du eigentlich, was die NSA macht?«
Ich nickte. »Dort arbeiten doch Verschlüsselungsspezialisten, die mit Hilfe von elektronischen Abhörsystemen Informationen zusammentragen, oder? Angeblich spionieren sie keine Privatpersonen aus und machen auch keine verdeckten Ermittlungen.«
Quinton schnaubte verächtlich. »Ja, klar – angeblich. Wenn du das glaubst, dann glaubst du auch an Weihnachtsmann und Osterhase. Mathematiker und ihre Algorithmen scheren sich herzlich wenig um politisch motivierte Grenzen. Die Entschlüsselungsspezialisten von Fort Meade arbeiten dort, weil sie es als intellektuelle Herausforderung ansehen, in sichere Systeme einzudringen. Die
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