Underground
anhörte, und sah dann Quinton an. »Wo hast du die gefunden?«
»Ein paar Blocks weiter. Nur um die Ecke.«
»Quatsch.«
»Nein, ehrlich. Weißt du übrigens schon, dass am Mittwoch für Jan und Go-Kart eine Mahnwache abgehalten wird?«
»Ja, ist mir bekannt.«
»Gut. Wo schläfst du heute Nacht? Scheint ziemlich kalt zu werden.«
Tanker schien Quinton finster anzusehen, auch wenn es schwierig war, es im Dämmerlicht genau auszumachen. »Ich habe einen Ort da unten am Ziegelbruch.«
»Du solltest aufpassen. Genau dort hat Jan auch übernachtet, ehe er ins Gras gebissen hat.«
»Mir wird niemand blöd kommen. Ich habe schließlich Bella.«
»Lass schläft wahrscheinlich auch da in der Gegend …«
Tanker unterbrach ihn ungeduldig: »Der kleine Scheißer. Sollte sich lieber nicht in meine Nähe wagen, sonst hetze ich ihm Bella auf den Hals.«
»Genau deshalb erzähle ich es dir. Ich möchte, dass du aufpasst, Tanker. Lass flippt in letzter Zeit ziemlich schnell aus, vor allem, wenn er das Gefühl hat, dass er verfolgt wird.«
»Der Mann hat sie doch nicht alle. Was kann man da schon erwarten?«
»Deshalb«, fuhr Quinton fort, als ob er nicht schon wieder
unterbrochen worden wäre, »habe ich ihm auch einen Elektroschocker gegeben. Ich habe ihm gesagt, dass er sich von dir und Bella fernhalten soll. Aber du weißt ja, wie er wird, wenn er trocken ist.«
»Mir wäre es sowieso lieber, wenn der sich zu Tode säuft.«
»Tanker, ich weiß, dass Lassiter ziemlich durchgeknallt ist. Aber diesmal bin ich mir nicht sicher, ob er nur unter Halluzinationen leidet. Hast du seit dem Sturm da unten irgendetwas Seltsames bemerkt? Irgendetwas Außergewöhnliches? Oder ist vielleicht jemand verschwunden?«
»Du meinst außer Tandy? Oder Hafiz, Go-Kart und Jan?« Tanker schnaubte verächtlich. Dann wandte er sich ab und blickte in die noch immer offen stehende Tür des Obdachlosenheims.
Während unseres Gesprächs hatten wir uns der Tür immer mehr genähert. Tanker musterte den Sozialarbeiter, mit dem Quinton zuvor gesprochen hatte. Der Mann hatte eine kleine Papierschachtel in der Hand, die so aussah, als ob sich darin Essen befände.
»Den Hund kannst du nicht mit reinbringen, Tanker«, erklärte er mit einer ziemlich nervös klingenden Stimme. »Aber wir haben etwas Speck für Bella, und einige der Jungs haben außerdem Hundefutter mitgebracht.«
Er hielt zwei kleine Tüten mit Trockenfutter hoch. Ich konnte deutlich die Wörter »Ohne Zusatzstoffe« und »Rein natürlich« darauf lesen. Es sah ganz so aus, als ob der Hund Besseres zu fressen bekam als sein Besitzer.
Tanker bedankte sich murmelnd, nahm die Tüten und die Schachtel und trat ein paar Schritte zur Seite. Wir folgten ihm zu einer kleinen Gasse, wo er das Ganze auf den Boden stellte und die Tüten aufriss. Bella setzte sich neben
ihr Herrchen und starrte diesen regungslos an. Nur ihre Augen wanderten immer wieder zwischen dem Fressen und Tanker hin und her. Endlich sagte er: »Okay, Bella. Friss.«
Bella stürzte sich auf ihr Futter und begann es herunterzuschlingen. Einige Momente lang sahen wir ihr zu. Mir fiel auf, mit welcher Leichtigkeit der Hund selbst das hart aussehende Trockenfutter zu Staub zermalmte. Mit ihren Beißerchen wäre ich nur höchst ungern in Kontakt gekommen.
»Ich habe eine Hand gesehen«, meinte Tanker, der Bella ebenfalls beobachtete. »Unten bei der Treppe neben dem Plattenladen.«
»Meinst du bei Bud’s? Auf der Jackson Street?«, wollte ich wissen.
»Genau.«
»Bist du dir sicher, dass es eine Hand war?«, hakte ich nach.
Tanker starrte mich finster an, und ein Wirbel aus zornigem Schwarz bildete sich um seinen Kopf. »Hältst du mich für dumm, oder was? Glaubst du, dass ich nicht weiß, was ich sehe? Es war eine Hand, Schwester. Eine Hand wie die deine.« Er schlug mit seiner rechten auf meine linke Hand, und der Hund hörte für einen Moment auf zu fressen. Er sah uns aufmerksam zu. »Ich habe schon öfter Körperteile gesehen. Ich habe gesehen, wie Körperteile durch die Luft geflogen sind, ganz so wie irgendwelche verrückten Vögel. Es war eine verdammte Hand!«
Bella begann leise und bedrohlich zu knurren.
Quinton, der den Hund nicht aus den Augen ließ, berührte Tanker an der Schulter. »Hey, Mann. Beruhige dich. Sie will dich doch nicht runtermachen. Sie will nur sicher
sein. Wir versuchen herauszufinden, was mit den Leuten hier passiert ist. Du weißt schon – wie mit Tandy.«
Tanker holte tief Luft
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