Underground
runter und ging ebenfalls. Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, zu versuchen, die beiden doch noch zum Sprechen zu bringen. Selbst wenn es mehr gab, als
was sie mir gesagt hatten, wollten sie offenbar nicht damit herausrücken. Warum sollte ich also Zeit verschwenden?
Aber was zum Teufel konnte sie derart in Angst und Schrecken versetzen? Innerlich schickte ich ein Stoßgebet zu irgendeinem Gott im Himmel, dass ich es nicht eines Tages bedauern würde, sie nicht zum Sprechen gebracht zu haben.
NEUN
D er Anblick einer Spinne ließ mich normalerweise nicht hysterisch werden. Aber ich musste zugeben, dass allein die Vorstellung, etwas Spinnenartiges könnte die Tunnel und Kanäle unter dem Pioneer Square durchwandern und seine Opfer wie Fliegen in ein Netz wickeln, ein ziemliches Ekelgefühl in mir hervorrief. Carlos hatte zwar nichts gesagt, als ich von einer Riesenspinne gesprochen hatte, doch das Bild hatte sich mir einge brannt.
Innerlich verfluchte ich Edward, weil er versucht hatte, zwischen Quinton und mich einen Keil zu treiben. Aber er hatte mich tatsächlich dazu gebracht, meinem Freund ein paar Fragen stellen zu wollen. Er hatte zwar bereits recht plausibel erklärt, warum er untergetaucht war, sodass mein Anfangsverdacht recht schnell verschwunden war, aber Edwards Andeutungen quälten mich trotzdem. Vermutlich trieb der Vampir nur ein Spiel mit mir, aber ich wollte es trotzdem genauer wissen.
Da ich nicht wusste, wo Quinton sich gerade aufhielt, schickte ich ihm eine Nachricht auf seinen Pager. Er rief an, als ich gerade mein Auto auf meinem üblichen Platz im »Sinkenden Schiff« abstellte. So nannten die Anwohner das auf einer Seite absinkende Parkhaus, das sich meinem
Bürogebäude gegenüber befand. Aus der Ferne sah es wirklich wie ein Schiff aus, das am Untergehen war.
»Hi, Harper. Was gibt es?«
»Ich habe mit Edward gesprochen – und mit Carlos und Cameron. Jetzt müssen wir reden.«
»Ich bin gerade mit Rosa und Tall Grass im Double Header. Tall Grass ist wegen Jenny ziemlich durch den Wind …« Er hielt inne. »Wo wollen wir uns treffen?«
»Bloß in keiner Bar.«
»Dann hat um diese Zeit nur noch Starbucks auf. Ich bin in zehn Minuten dort.«
Insgeheim bezweifelte ich, dass unser Gespräch viel bringen würde. Aber da ich nicht annahm, dass es unter vier Augen in meinem Büro besser laufen würde und ich außerdem dringend etwas Heißes trinken wollte, sagte ich zu. Kurz darauf ging ich in Richtung Starbucks, trat dort ein und bestellte einen großen Kaffee mit genügend Platz für Kaffeesahne.
In diesen Cafés musste man sehr genaue Angaben machen, da die Bedienung sonst den Becher bis zum Rand mit dem Rohöl vollgoss, das sie hier Kaffee nannten. Ich hatte gerade genügend Sahne und Zucker hinzugefügt, um das Ganze trinkbar zu machen, als Quinton eintraf.
»Möchtest du einen Kaffee?«, fragte ich.
»Eigentlich nicht.«
»Draußen ist es kalt.«
Er sah mich blinzelnd an. »Stimmt, beinahe minus fünf Grad.«
»Möchtest du hier drinnen mit mir sprechen?« Ich wies mit dem Kopf auf einen der Gäste, der in einer Ecke neben dem Fenster saß und Zeitung las. Im Grau war er in einen schwarzen Nebel gekleidet. Ich wusste, dass es sich um einen
Vampir handelte, ohne seine Eckzähne sehen zu müssen. Einige Leute scheinen überall Freunde zu haben.
Quinton seufzte und zuckte mit den Achseln. »Also gut. Ich hole mir auch einen Kaffee, und dann gehen wir in dein Büro.«
Während er sich einen Becher Kaffee zum Mitnehmen bestellte, wartete ich auf ihn. Dann gingen wir die vereiste Straße zu meinem Büro zurück. Ich musste um diese Uhrzeit auch die Haustür aufsperren, da keines der Geschäfte im Erdgeschoss nach sechs Uhr noch geöffnet hatte. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, bemerkte ich einige Schatten, die sich in der Nähe bewegten und sich auf einmal in aufmerksame Beobachter verwandelten.
Offensichtlich ließ mich Edward nicht aus den Augen, wobei er allerdings nicht zu wissen schien, dass ich seine Leute sehen konnte, auch wenn sie glaubten, sich gut zu verstecken.
Ich hatte bisher immer angenommen, dass Vampire das Grau mindestens genauso gut verstanden wie ich – zumindest Carlos und Wygan schienen es ausgezeichnet zu kennen. Doch nun fiel mir ein, wie verblüfft Cameron gewesen war, als er einmal feststellte, dass er sich vor mir im Grau nicht verbergen konnte. Vielleicht hatten die meisten Vampire keine Ahnung, wozu ich fähig war …
Das war ein
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