Underground
Grau zwischen uns zog. »Du musst mich nicht zwingen«, knurrte ich ihn missmutig an.
Cameron lehnte sich zurück, zog die Knie hoch und stellte sein Glas auf ihnen ab. »Genau, Mann. Schlechte Manieren, Herr Lehrer.«
Carlos warf ihm einen zornigen Blick zu, der noch bedrohlicher wirkte als der zuvor. Diesmal zuckte Cameron jedoch nicht zusammen. Stattdessen starrte er nur finster zurück. »Wie heißt dieser Film nochmal?«, fragte er mich, ohne den Blick von Carlos zu wenden. »Du weißt schon –
in dem Paul Newman sagt: ›Du sollst mit deinen Freunden nicht falschspielen‹?«
» Der Clou«, erwiderte ich.
»Genau.« Seine Stimme klang auf einmal seltsam erwachsen. »Mara hat das Gleiche zu mir gesagt, als wir uns zum ersten Mal trafen.«
Carlos’ Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Schließlich wandte er den Kopf zur Seite und schnaubte verächtlich. »Du wirst langsam besser«, murmelte er.
Cameron räusperte sich. »Schlechter Verlierer.«
Der ältere Vampir warf ihm einen Blick zu, der Cameron wie ein körperlicher Schlag traf. Der Kopf des jungen Vampirs flog nach vorn und prallte gegen seine Knie. Das Glas mit dem Martini fiel zu Boden. Carlos sah ungerührt zu, wie sich Cameron wieder aufrichtete und ganz langsam die Füße auf den Boden stellte.
Er war kreidebleich geworden, schloss die Augen und neigte den Kopf. »Ich bitte um Verzeihung«, murmelte er.
Carlos nickte. »Du wirst wirklich langsam besser«, murmelte er erneut. Dann konzentrierte er sich wieder auf mich.
Diesmal versuchte er nicht, mich unter Druck zu setzen. »Was ist passiert? Erzähl uns genau, was du getan und was du gesehen hast.«
»Der Zombie war bereits am Verwesen, aber er konnte sich noch bewegen. Ich habe in ihm und um ihn herum ineinander verwickelte Energielinien gesehen, die ihn meiner Meinung nach am Leben erhielten. Sie waren überall von Fäden aus dem Grau durchzogen – es sah fast wie ein Netz aus. Diese Fäden waren irgendwie seltsam. Sie schienen selbst keine Energie zu beinhalten und bestanden aus einem sehr weichen, fast neutralen Material.«
Alleine die Erinnerung daran verursachte mir Ekel. Ich schluckte, um nicht würgen zu müssen. »Ich habe in den verwesenden Körper gefasst, um die Energiestränge auseinanderzuziehen. Dann fiel der Zombie in sich zusammen. Oder besser gesagt, er hat sich aufgelöst. Es gelang mir, die Stränge zu trennen, und ich konnte deutlich zwei verschiedene Energieformen wahrnehmen. Eine davon hat nicht da hingehört. Sie verschwand auch sofort. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, warum. Die andere Energie schien der Geist des Körpers zu sein. Ich glaube, der Tote war früher ein Indianer. Ich nehme nicht an, dass er zurückblieb, sondern sich wie der Körper aufgelöst hat. Sobald die Energieformen verschwunden waren, zerfiel die Leiche zu Staub und wurde vom Wind weggetragen.«
Carlos sah mich an. Im Grau um ihn herum schien ein Sturm aufzuziehen. »Sonst noch etwas?«
»Ich habe diese Art von weichen Fäden in letzter Zeit öfter gesehen. Zum Beispiel am Tatort eines Verbrechens, wo sie an einem Toten hingen. Und noch an einem anderen Leichnam. Doch diese Leichen waren nicht in der Lage aufzustehen und herumzulaufen.«
Carlos dachte nach, während Cameron mir einen Blick zuwarf. Er zuckte mit den Schultern und wartete wie ich auf Carlos’ Antwort. Selbst für einen Vampir wirkte Cameron weiterhin unwirklich blass.
»Hatten diese weichen Fäden immer dieselbe Form?«, wollte Carlos nach einer Weile wissen. »Du hast gesagt, dass sie wie ein Netz aussahen.«
»Nein, eigentlich nicht. Sie waren nur da.«
»Mmh … Ungewöhnlich. Das war kein echter Zombie, aber für den Moment wollen wir uns nicht mit Begriffen
aufhalten. Deine Fäden hielten den Geist in seinem Körper gefangen, sodass er nicht zur Ruhe kommen konnte.«
»Das waren nicht meine Fäden«, widersprach ich. »Und woher willst du wissen, dass es kein echter Zombie war – wenn es so etwas überhaupt gibt?«
Carlos lachte heiser und lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Es gibt verschiedene Arten von Zombies. Die echten Zombies werden in eine Gestalt gezwungen und durch Energie darin festgehalten. Was du beschreibst, scheint mir aber etwas anderes zu sein. Du konntest den lebensspendenden Geist nur aus der Körperhülle herausholen, weil der Körper bereits am Verfallen war. Du hast das Netz zerstört, das den Körper zusammenhielt, indem du in ihn hineingefasst hast. Solange die
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