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Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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jenseits des Tals die Sonne über ferneren, weniger vertrauten Bergen aufgeht. Wir sind vollkommen allein. Die Sonne leuchtet nur für uns. Als die Sonne über die Gipfel gestiegen ist, nimmt mich Tucker sanft bei den Schultern und dreht mich wieder um, zurück zu den Teton-Bergen, wo jetzt eine Million goldener Funken auf dem See tanzen.
    «Oh», keuche ich.
    «Das lässt einen an Gott glauben, was?»
    Ich sehe ihn verblüfft an. Von Gott hat er bisher noch nie gesprochen, obwohl ich von Wendy weiß, dass die Averys beinahe jeden Sonntag in die Kirche gehen. Aber nie im Leben hätte ich ihn für religiös gehalten.
    «Ja», stimme ich zu.
    «Ihr Name bedeutet übersetzt ‹Brüste›, weißt du.» Seine Mundwinkel verziehen sich zu seinem typischen schelmischen Lächeln. «Grand Teton heißt ‹große Brust›.»
    «Nett, Tucker», schnaube ich verächtlich. «Das ist mir klar. Französisch im dritten Jahr, weißt du noch? Ich nehme an, die französischen Entdecker hatten schon sehr, sehr lange keine Frau mehr zu Gesicht bekommen.»
    «Ich glaube, die wollten sich bloß einen Spaß machen.»
    Eine ganze Weile stehen wir nebeneinander und sehen zu, wie sich das Licht ausbreitet und in völliger Stille mit den Bergen tanzt. Leichter Wind kommt auf, weht mir das Haar zur Seite, hin zu Tuckers Schulter. Er sieht mich an. Er schluckt. Er scheint etwas Wichtiges sagen zu wollen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
    «Ich glaube, du bist …», setzt er an.
    Beide hören wir gleichzeitig das Geräusch im Unterholz hinter uns. Wir drehen uns um.
    Eine Bärin ist auf den Pfad gekommen. Sofort ist mir klar, dass es ein Grizzly ist. Die massigen Schultern schimmern in den Strahlen der aufgehenden Sonne, als das Tier den Kopf senkt, um uns anzusehen. Hinter ihm tapsen zwei kleine Bären.
    Das ist übel.
    «Nicht weglaufen», warnt mich Tucker. Dabei wäre das gar nicht möglich, weil meine Füße auf dem Boden wie festgefroren sind. Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich, wie Tucker seinen Rucksack von den Schultern gleiten lässt. Die Bärin senkt den Kopf und gibt ein schniefendes Geräusch von sich.
    «Nicht weglaufen», wiederholt Tucker, laut diesmal. Ich höre, wie er mit irgendwas rumfummelt. Vielleicht will er mit irgendeinem Gegenstand auf die Bärin einschlagen. Die Bärenmutter sieht ihn direkt an. Ihre Schultern spannen sich, als sie sich zum Angriff bereit macht.
    «Nein», flüstere ich auf Engellisch und hebe die Hand, als ob ich sie allein mit der Kraft meines Willens zurückhalten könnte. «Nein.»
    Die Bärin hält inne. Sie wendet den Kopf zu mir, ihre Augen sind hellbraun, vollkommen leer, ohne jegliches Gefühl und ohne Verstand. Rein animalisch. Starr und unbewegt sieht sie auf meine Hand, dann stellt sie sich auf die Hinterbeine und schnauft.
    «Wir tun dir nichts», sage ich auf Engellisch und versuche, ganz sanft zu sprechen und die Stimme nicht zu heben. Ich habe keine Ahnung, wie das alles auf Tucker wirkt oder ob die Bärenmutter mich versteht. Zeit zum Nachdenken habe ich nicht. Aber versuchen muss ich es.
    Die Bärin macht ein brüllendes, bellendes Geräusch. Ich weiche keinen Meter und sehe ihr fest in die Augen.
    «Geh weg von hier», sage ich mit fester Stimme. Ich fühle mich von einer seltsamen Kraft erfasst und dann leicht benommen. Als ich auf meine ausgestreckte Hand sehe, nehme ich unter der Haut ein schwaches Leuchten wahr.
    Die Bärin geht wieder runter auf alle viere. Sie senkt den Kopf und kläfft ihre Jungen an.
    «Geh weg», flüstere ich.
    Und sie tut es tatsächlich. Sie dreht sich um und dringt knackend zurück ins Unterholz, ihre Jungen tapsen ihr hinterher. Sie ist genauso plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht ist.
    Meine Knie geben nach. Ich spüre Tuckers Arme um mich. Er zieht mich an sich und hält mich einen Moment lang, die eine Hand in meinem Rücken, um mich zu stützen, mit der anderen hält er meinen Nacken. Er legt meinen Kopf an seine Brust. Sein Herz rast. Er atmet laut und heftig.
    «O mein Gott», keucht er.
    Er hält irgendwas in der Hand. Ich löse mich ein wenig von ihm, denn ich will sehen, was es ist. Es ist ein länglicher silberner Behälter, der entfernt an einen Feuerlöscher erinnert, nur kleiner und leichter ist.
    «Zur Abwehr von Bären», erklärt Tucker. Sein Gesicht ist fahl, seine blauen Augen dunkel vor Sorge.
    «Ach. Du hattest also alles im Griff.»
    «Ich war noch dabei, die Bedienungsanleitung für dieses Spray zu lesen», sagt er und

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