Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)
etwas mehr Fleisch auf den Rippen gut für mich wäre.
«Bestell dir ein Stück von der Vanillesahnetorte», sagt er, ohne jeglichen Spott in der Stimme. In seinem Blick liegt sogar so etwas wie Bewunderung. «Die servieren das hier mit einer Zitronenscheibe, und wenn du in die Zitrone beißt und dann ein Stückchen von der Torte isst, schmeckt es genau wie Zitronenbaiser.»
«Wieso bestelle ich dann nicht gleich das Zitronenbaiser?»
«Vertrau mir», sagt er, und ich stelle fest, dass ich ihm tatsächlich vertraue.
«Okay.» Ich winke der Kellnerin und bestelle die Vanillesahnetorte. Die göttlich ist, und wenn das jemand beurteilen kann, dann ich.
«Meine Güte, bin ich voll», sage ich anschließend. «Du wirst mich nach Hause rollen müssen.»
Eine Weile schweigen wir beide, die Worte hängen zwischen uns in der Luft.
«Danke für den Tag heute», sage ich schließlich und habe Mühe, ihm dabei in die Augen zu sehen.
«Schöner Geburtstag?»
«Ja. Und danke auch dafür, dass du im Restaurant nichts gesagt hast, sonst hätten die mir vielleicht ein Geburtstagsständchen gebracht.»
«Wendy hat gesagt, dass du so was scheußlich findest.»
Ich frage mich, was an diesem Tag wohl sonst noch nach Wendys Regieanweisungen gelaufen ist.
«Was machst du morgen?», fragt er.
«Häh?»
«Ich hab morgen frei, und wenn du willst, könnte ich mit dir in den Yellowstone Nationalpark fahren und dich da ein bisschen rumführen.»
«Im Yellowstone Park war ich noch nie.»
«Ich weiß.»
Er ist wirklich ein Geschenk, ein Geschenk des Himmels, denn «Yellowstone» klingt eine Million mal besser, als zu Hause zu sitzen und durch die Fernsehkanäle zu zappen, sich Sorgen um Jeffrey zu machen und eine Riesenreisetasche in Christian-Größe in die Luft hieven zu wollen.
«Ich würde echt gern mal den Old Faithful sehen», gestehe ich, einen Geysir mit fünfundvierzig Meter hoher Wasserfontäne.
«Na gut.» Er wirkt verdächtig selbstzufrieden. «Dann fangen wir da mit unserem Rundgang an.»
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Tucker und ich unterwegs
Unser Ausflug in den Yellowstone Park wird nur dadurch leicht getrübt, dass ich aus Versehen mit einer Touristin, der ihr fünfjähriger Sohn abhandengekommen ist, koreanisch spreche. Ich helfe ihr beim Gespräch mit dem Parkaufseher, und gemeinsam finden sie den Jungen. Ein richtig schönes Happy End, oder? Außer dass Tucker mich anstarrt, als wäre ich irgend so eine Missgeburt von einem Mutanten, bis ich die lahme Erklärung abgebe, dass ich in Kalifornien eine koreanische Freundin hatte und mir das Sprachenlernen nun mal leichtfällt. Eigentlich rechne ich nicht damit, ihn in der nächsten Zeit wiederzusehen, denn ich gehe davon aus, dass mein Geburtstagsgeschenk von Wendy nun aufgebraucht ist. Aber am Samstag klopft es an unserer Haustür, und da steht er wieder, und eine Stunde später finde ich mich mit einer Gruppe Touristen aus anderen Bundesstaaten auf einem großen aufblasbaren Floß wieder und komme mir in der hellorangefarbenen Schwimmweste, die wir alle tragen müssen, riesig und aufgebläht vor. Tucker sitzt hinten am Rand des Floßes und steuert auf die Stromschnellen zu, und der andere Führer hockt vorn und brüllt Kommandos. Ich beobachte, wie sich Tuckers kräftige sonnengebräunte Arme beugen, wenn er die Ruder durchs Wasser zieht. Wir kommen an die ersten Stromschnellen. Das Boot schlingert, Wasser spritzt überallhin, und die Leute auf dem Floß kreischen wie auf der Achterbahn. Tucker grinst mich an. Ich grinse zurück.
An dem Abend nimmt er mich mit zu der Party bei Ava Peters und bleibt die ganze Zeit an meiner Seite, um mich den Leuten vorzustellen, die mich höchstens dem Namen nach kennen. Verblüffend, wie anders ich in seiner Begleitung aufgenommen werde. Auf den Fluren der Jackson Hole High haben mich die anderen Schüler mit vorsichtigem Desinteresse betrachtet, nicht feindselig, aber auf jeden Fall wie einen Eindringling auf ihrem ureigenen Gebiet. Sogar Christians Aufmerksamkeit mir gegenüber in den letzten Wochen hatte da keinen großen Unterschied gemacht; immer noch sprachen die Leute eher über mich als mit mir. Jetzt, da Tucker bei mir ist, unterhalten sich die anderen Schüler auf einmal mit mir. Wenn sie mich anlächeln, ist es ehrlich. Es ist deutlich zu sehen, dass sie alle, egal, zu welcher Clique sie gehören oder wie viel Geld ihre Eltern scheffeln, Tucker sehr mögen. Die Jungs rufen «He, Bruder Tuck!» und machen diese Geste
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