Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
flüstert Anna.
    «Ja», antwortet meine Mutter. «Es ist an der Zeit.»
    Anna nickt wortlos und klammert sich an die Tür, als ob sie sie ganz plötzlich als Stütze braucht. Ich laufe auf der Suche nach Angela die Treppe hinauf.
    «Ich glaube, meine Mutter ist gerade dabei, deine Mutter zu hypnotisieren, oder so was», sage ich, als ich die Tür zu Angelas Zimmer aufstoße. Sie liegt bäuchlings auf dem Bett und schreibt etwas in ihr schwarzweißes Aufsatzheft. Sie trägt ein rotes Kapuzenshirt mit dem Aufdruck der Uni Stanford, und nur einem Blinden würde das riesige Stanford-Banner entgehen, das sie über ihrem Bett an die Wand gehängt hat.
    «Boah, wohl Fan von den Stanford Cardinals, was?», kommentiere ich. «Die sollen da ja ein paar tolle Sportteams haben.»
    «Ach, hallo, C.», sagt sie überrascht. Sie schlägt das Heft zu und verstaut es unter ihrem Kissen. «Waren wir irgendwie verabredet für heute?»
    «Klar, es steht in den Sternen geschrieben.»
    «Hä?»
    «Ich will dich zwei zauberhafte Tage und eine Nacht lang in die eisig kalte, verschneite Wildnis entführen. Mit schönem Gruß von meiner Mutter.»
    Angela setzt sich auf. Einen Moment lang wirkt sie wie eine exakte Kopie ihrer Mutter, nur dass sie diese goldfarbenen Augen hat. «Deine Mutter? Hä?»
    «Wie gesagt, sie fährt mit uns zum Zelten, und du bist eingeladen. Wir haben Zelte dabei und Schlafsäcke und sogar diese Metallspieße, an denen man Hot Dogs röstet.»
    «Muss ich das verstehen?», fragt Angela. Ihr Blick geht zum Fenster. «Es schneit.»
    «Stimmt. Ich verstehe es auch nicht, glaub mir», antworte ich. «Also kommst du nun mit uns zelten oder nicht?»

    Nicht mal zehn Minuten später hat sie eine Reisetasche gepackt und sitzt angeschnallt hinten in unserem Geländewagen; und sie ist so zittrig, dass man meinen könnte, sie hätte ein paar Tassen Kaffee zu viel gehabt. Bis zu einem gewissen Grad ist Angela in Gegenwart meiner Mutter immer so. Es hat irgendwie damit zu tun, dass sie, ehe sie uns kennenlernte, keinerlei Kontakt zu irgendeinem Engelblut hatte. Und ganz bestimmt war in ihrem Leben nie ein erwachsenes Engelblut, zu dem sie aufschauen konnte, sie hatte immer nur ihre stille, grüblerische, ganz und gar menschliche Mutter mit all ihren religiösen Überzeugungen, die im Moment auf dem Bürgersteig steht und mit Tränen in den Augen ihrer Tochter zum Abschied zuwinkt, so als hätte sie Angst, sie nie mehr wiederzusehen.
    Mama kurbelt das Seitenfenster runter. «Keine Sorge, Anna. Ich bringe sie Ihnen gesund und munter wieder zurück.»
    «Alles in Ordnung, Mama», brummelt Angela peinlich berührt. «Sonntagabend bin ich wieder da.»
    «Ja, na gut», sagt Anna leise. «Viel Spaß.»
    Es ist ruhig auf der Fahrt in die Berge. Jeffrey macht das Radio an, aber Mama stellt es so leise, dass wir kaum was hören. Dann winden wir uns über einige Haarnadelkurven in die Höhe, die Straße ist jetzt nur noch einspurig, an der einen Seite nur das nackte Gestein des Berges, an der anderen ein steiler Abhang. Ich überlege, was wohl passiert, wenn uns jemand entgegenkommt. Endlich, nach gut einer Stunde, wird die Straße breiter; es gibt eine Stelle zum Ausweichen vor dem Gegenverkehr. Mama fährt darauf zu und parkt.
    «Weiter kommen wir mit dem Auto nicht. Von hier aus müssen wir wandern.» Sie steigt aus. Als auch wir die Autotüren öffnen, um unsere Sachen aus dem Kofferraum zu holen, schlägt uns ein eisig kalter Windstoß entgegen. Dann stehen wir einen Moment lang da und starren auf den Pfad und die fernen Hügelketten jenseits der Baumwipfel.
    «Wenigstens hat es aufgehört zu schneien», sagt Jeffrey.
    Mama geht uns voran in den frischen Pulverschnee, gefolgt von Jeffrey, dahinter kommen Angela und ich Seite an Seite. Der Schnee auf dem Pfad geht uns bis über die Hälfte der Stiefel. Wir marschieren endlos lang. Die Luft scheint dünner zu werden. Der ganze Ausflug erinnert mich an den Tag, an dem Mama mich zum Buzzards Roost brachte, als ich vierzehn war und sie mir von den Wesen mit Engelblut erzählte und sich mit ihren Flügeln über das Tal erhob, um zu beweisen, dass sie es ernst meinte. Ich frage mich, was sie uns wohl diesmal für ein Geheimnis verraten wird.
    Nach mehrstündigem monotonem Marsch biegt Mama vom Pfad ab in einen besonders dicht bewachsenen Teil des Waldes. Hier, im Schatten der hoch aufragenden Kiefern, ist es kälter, dunkler. Abseits des Pfades ist der Schnee viel tiefer, an manchen Stellen

Weitere Kostenlose Bücher