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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Aber ich kann nicht. Nicht, solange ich nicht ganz sicher bin.
    Ich schüttele den Kopf. «College-Zeug. Ich bewerbe mich für Stanford, weißt du.» Das stimmt sogar. Auch wenn ich denke, es ist einigermaßen chancenlos, auch wenn ich fürs College, und sei es auch Stanford, nicht viel Begeisterung aufbringen kann, habe ich mich beworben.
    Tuckers Miene entspannt sich, als ob er plötzlich alles versteht: Ich mache mir Sorgen, weil ich aufs College gehe und er hierbleibt.
    «Das ist schon okay», sagt er. «Wir schaffen das, egal, wohin du gehst, ja?»
    «Ja.»
    Wieder umarmt er mich, so fest und übermütig, dass ich an seiner Schulter fast erdrückt werde. «Das wird schon alles werden, Karotte. Wirst schon sehen.»
    «Wie kannst du das wissen?», frage ich, und es ist nur halb gespielt.
    Er zuckt mit den Schultern. Plötzlich runzelt er die Stirn, neigt leicht den Kopf zur Seite.
    «Was ist?», frage ich.
    Er hebt eine Hand, ich soll ruhig sein. Horcht einen Moment. Dann seufzt er. «Ich dachte, ich hätte was gehört, das ist alles.»
    «Was?», frage ich.
    «Ein Pferd. Ich dachte, ich hätte ein Pferd gehört.»
    «Ach, Tuck», sage ich und umarme ihn noch fester. «Es tut mir so leid.»
    Aber dann meine auch ich, etwas zu hören. Eine Art Poltern. Möglicherweise das Geräusch von Hufen.
    Ich horche noch einen Moment und höre es immer noch, ein stetiges rhythmisches Schlagen gegen den Erdboden. Dann das Schnaufen von einem großen Tier in Bewegung, von einem Tier, das rennt, das schwer atmet.
    Ich sehe Tucker an. «Ich höre es auch», sage ich.
    Wir springen von der Schaukel auf, laufen raus in den Vorgarten. Ich drehe einen langsamen Kreis im Garten und horche, und das Geräusch wird lauter.
    «Es kommt von dort», hauche ich und deute auf die Teton-Berge. Tucker läuft in die entsprechende Richtung, springt über einen niedrigen Zaun. Da bricht Midas zwischen den Bäumen hervor, in rasendem Galopp, Schweiß glänzt an seinen Flanken. Tucker sieht ihn und stößt einen lauten Jubelruf aus. Midas wiehert. Ich stehe da und sehe zu, wie Tucker und Midas auf dem Acker beim Haus aufeinanderstoßen. Tucker wirft Midas die Arme um den Hals, vergräbt sein Gesicht in dem glänzenden Fell. Lange stehen die beiden so da, und dann löst sich Tucker von Midas und fährt ihm auf der Suche nach Verletzungen mit den Händen über den ganzen Körper.
    «Er hat Brandwunden, ist ziemlich abgemagert, aber es ist nichts wirklich Schlimmes», ruft er. «Nichts, was wir nicht wieder hinkriegen.» Dann sagt er zärtlich zu seinem Pferd: «Ich wusste doch, dass du es schaffst. Ich wusste doch, dass so ein Feuer dich nicht umbringt.»
    Seine Eltern und Wendy kommen auf die Terrasse heraus, sehen Midas und laufen zu uns auf den Acker, um dieses verrückte Wunder zu bestaunen. Wendy hält fest meine Hand, als wir alle zusammen das Pferd in die Scheune bringen, dahin zurück, wohin es gehört.
    «Was verloren ist, kehrt zurück. Halleluja», sagt Mrs Avery.
    «Siehst du, Karotte», meint Tucker und streicht sanft über die Nüstern seines Pferdes. «Es kommt immer alles so, wie es kommen soll.»
    Genau davor habe ich ja solche Angst.

    Am nächsten Tag überfällt mich wieder der Kummer. Ich hatte fast vergessen, wie furchtbar es sich anfühlt, wie sich meine Kehle verkrampft, wie mir die Brust eng wird und meine Augen brennen. Diesmal bin ich gerade im Supermarkt mit Jeffrey, und kaum habe ich ihm Bescheid gesagt, fängt er an, sich wie ein Engelblut-Ninjakämpfer aufzuführen, wird ganz hektisch, geht mitten im Gang zwischen Joghurt und Hüttenkäse in die Hocke, während ich über Handy Mama anrufe. Ich hätte mich über Jeffrey richtig amüsieren können, hätte ich nicht solche Angst davor gehabt, von einem Schwarzflügel getötet zu werden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich in diesem Moment umgebracht werde, eher gering. Denn wenn ich hier und heute in Gang Nummer neun sterbe, dann erlebe ich den Frühling nicht und auch nicht den Tag auf dem Friedhof.
    Samjeeza ist also nicht gekommen, um mich zu töten, denke ich. Aber um mich mache ich mir sowieso keine allzu großen Sorgen. Trotz all meiner verrückten Vorstellungen, wie Tucker zu Tode kommen könnte, ist es eher er, der mir als das perfekte Opfer für einen Schwarzflügel erscheint. Um an mich ranzukommen. Um mich dafür zu bestrafen, dass ich meine Aufgabe nicht erfüllt habe. Um alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Oder vielleicht auch nur, weil

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