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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gioconda Belli
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wären schon größer geworden. Sie beeilte sich. Als sie ankam, hielt Adam einen von ihnen im Arm. Das Kleine ließ kraftlos den Kopf hängen.
    »Lass es mich versuchen«, sagte Eva.
    Sie bettete das Kind in ihre Armbeuge. Es war das Mädchen. Mit geschlossenen Augen, das Gesichtchen knallrot, brüllte es aus Leibeskräften. Kaum spürte sie die Wärme des kleinen Körpers an ihren Rippen, da löste sich der Stau in Evas Brüsten, und die Milch strömte aus ihr heraus wie aus einer Quelle. Voller Staunen hob sie die Kleine in ihren Armen ein wenig höher, bis das winzige, suchende Mündchen ihre Brustwarze gefunden hatte.
    »Gib mir auch das andere, Adam. Sei vorsichtig, leg ihm die Hand unter das Köpfchen.«
    Eva setzte sich auf den flachen Felsen. Das Mädchen saugte kräftig. Es kitzelte. Adam legte ihr den Jungen in den anderen Arm. Dann hockte er sich hinter Evas Rücken, so dass sie die Ellbogen auf seinen Beinen abstützen konnte. Endlich herrschte Ruhe. Ein erleichtertes Aufatmen war von Adam zu hören.
    »Ich habe draußen die Schlange getroffen. Sie hat gesagt, dass unsere Kinder hilflos sind. Wir müssen für sie sorgen, bis sie groß sind«, flüsterte sie.
    »Lange?«
    »Sie hat nicht gesagt, wie lange.«
    »Wie merkwürdig«, sagte Adam. »Obwohl du tust, was die Tiere auch tun, gleichst du ihnen nicht.«
    »Doch, ich gleiche ihnen schon, aber darauf kommt es nicht an. So sind wir jetzt eben. Hast du gesehen, wie die Milch aus mir herausgeschossen ist, sobald ich ihren Hunger bemerkt habe? Als ob mein Körper ihnen gehorchen würde. Dabei sind sie doch so klein. Schau sie dir an. Meine Überheblichkeit hilft uns nicht weiter.«
    »Hat das die Schlange zu dir gesagt?«
    »So in etwa. Sie versteht auch nicht ganz, was eigentlich passiert ist. Sie tut zwar gerne, als wüsste sie es, aber man wird aus ihren Reden nicht wirklich schlau.«
     
    Das Mädchen hatte die Augen geöffnet. Sie waren grau. Sie war mit einer weißlichen Schmiere bedeckt, und ihre Gesichtszüge waren erstaunlich fein und vollkommen. Haut und Haare des Jungen waren dunkler, seine Augen ebenfalls grau. Wie sie wohl ohne Kiemen und Schuppen all die Monate im Wasser ihrer Eingeweide überlebt hatten, ohne Fische zu sein? Was für ein Wunder, dachte Eva.
     
    Nachdem die Zwillinge sich satt getrunken hatten, schickte Eva Adam los, damit er sie wusch. Er tat das sehr behutsam, um sie nicht zu erschrecken. Das Mädchen hatte hellere Haare, und der Junge richtete die Augen fest auf ihn. Er wusch die winzigen Hände und Füße, die kleinen Gesäßbacken. Dann wischte er ihnen die Gesichtchen ab und bestaunte die klitzekleinen Ohren und die Nasenflügel. Als er ihnen einen Finger in den Mund schob, spürte er ihre kleinen Zungen.
     
    Eva sah ihm neugierig und belustigt dabei zu. Sie hatte das Gefühl, überzufließen – so voll wie die Brüste war auch das Herz.
    »Wir müssen ihnen Namen geben«, sagte sie.
    Wie er und sie wohl gewesen wären, wenn sie so klein auf die Welt gekommen wären, fragte sie sich. Niemand hatte sie je gewaschen, und niemand hatte sie je mit feuchten Augen so liebevoll angeschaut.

Kapitel 20
    A m folgenden Tag nieselte es leicht. Adam verließ in Begleitung seines Hundes Kain die Höhle. Er konnte gar nicht aufhören, über das Wunder der Geschöpfe zu staunen, die aus jenem finsteren Tunnel hervorgekommen waren, in dem er nicht nur einmal gefürchtet hatte zu verschwinden. Wenn Eva bebend zu jenem innersten Lachen vordrang, umwehte ihn jedes Mal aufs Neue der Hauch des Paradieses, und dieses Beben übertrug sich auf ihn. Jetzt fragte er sich aber, ob er nicht beim nächsten Mal an den Schmerz denken würde, der ihre Miene verzerrt hatte, und das Schütteln und Pressen ihres Körpers, als sie die Frucht eines Keims hervorgebracht hatte, dem er vielleicht selbst zum Wachstum verholfen hatte, indem er ihn regelmäßig mit der weißen Flüssigkeit gegossen hatte, die aus seinem Penis kam. Kein Baum weinte bei seiner Geburt. Die Pflanzen erschienen lautlos. Und aus ihr kam das Leben in die Welt, als handelte es sich um eine Katastrophe. Er für seinen Teil hatte keinen Tropfen Blut verloren, sein Körper war unverändert, auch hatte er bei der Geburt seiner Kinder keinerlei Schmerzen erlitten. Warum tat ihm nichts weh, sondern nur ihr? Was hatte das zu bedeuten?
    Er ging zum Fluss, wo er das Netz auswerfen und ein paar Fische fangen wollte.
     
    Die Erde war noch regenfeucht und schüttelte sich, so dass das Wasser

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